Parademarsch der Krähe vor dem Kaiser auf dem Kasernenhof des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiments.
Der Maskott der Alexander-Grenadiere (Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1). Der zahme Rabe des Regiments schreitet bei einer Inspektion der Truppe durch den Obersten Kriegsherrn das Spalier der Offiziere ab. Die Kaserne befand sich in der Alexanderstraße 56 im Stadtteil Berlin-Mitte.
Fotoabbildung im Originaldruck von 1898.
Nach einer Originalaufnahme von Max Ziesler, Berlin.
Journalausschnitt in der Größe 154 x 91 mm.
Mit minimalen Alterungs- und Gebrauchsspuren, sehr guter Zustand.
Hervorragende Bildqualität auf Kunstdruckpapier – extrem selten!!!
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Als Photograph von ca. 1880 bis 1900 in Berlin tätig. Als Hofphotograph bei Kaiser Wilhelm II. betreute er vorwiegend offizielle Festlichkeiten. Sein Atelier befand sich Unter den Linden 10, Berlin W. Das Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 (auch Alexandriner bzw. Alexander-Regiment) in Berlin gehörte zu den Regimentern mit der ältesten Tradition der Preußischen Armee. Diese Tradition reichte vom 1. Mai 1626, als Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg das 3.000 Mann starke Vorgängerregiment des Obristen Hillebrand von Kracht errichtete, bis zum 9. Mai 1945, als mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht auch das Traditionsregiment der Alexandriner, das Grenadierregiment 67 „Generaloberst von Seeckt“, aufgelöst wurde. Geschichte Im Oktober 1814 erging eine A.K.O., zwei Grenadierregimenter zu bilden. Eines davon war das Alexander-Regiment. Gebildet wurde es aus dem Leib-Grenadier-Bataillon (des Leib-Grenadier-Regiments König Friedrich Wilhelm III. (1. Brandenburgisches) Nr. 8; frühere Bezeichnung: 1. Brandenburgisches Infanterie-Regiment), dem 1. Ostpreußischen Grenadier-Bataillon (der Ostpreußischen Brigade; Bezeichnung bis zum 7. September 1807: Bataillon v. Schlieffen) und dem 2. Ostpreußischen Grenadier-Bataillon (der Westpreußischen Brigade; Bezeichnung bis zum 7. September 1807: Bataillon v. Fabecky). Stiftungstag ist der 14. Oktober 1814. Bei der Neubildung der Preußischen Armee nach den Freiheitskriegen fanden nur Stämme und Formationen der alten Armee Verwendung, die sich 1806 gut geführt und in den Freiheitskriegen bewährt hatten. Das I. Bataillon wurde aus dem von der Belagerung Kolbergs 1807 bekannten Waldenfels-Bataillon gebildet, das II. und III. aus den ältesten Regimentern der Brandenburgisch/Preußischen Armee. Die Chefstelle bekam der Zar von Russland, nach welchem das Regiment am 19. Oktober 1814 „Grenadier-Regiment Kaiser Alexander“ benannt wurde. Ab dem 27. November 1819 hieß es „Kaiser Alexander Grenadier-Regiment“. Die Liste der Offiziere vom Oktober 1814 umfasst 59 Namen, darunter 14 bürgerliche. 40 Offiziere, darunter fast alle bürgerlichen, trugen das Eiserne Kreuz 2. Klasse, drei die 1. Klasse und fünf den Orden Pour le Mérite. Am 18. Februar 1820 erhielt das Regiment den Garde-Rang. Die letzte Namensänderung erfolgte am 14. Juli 1860 in „Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1“. Das Regiment garnisonierte die gesamte Zeit seines Bestehens in Berlin. Seine Kaserne befand sich zunächst in der Alexanderstraße 56 nahe dem Alexanderplatz. Aus dem Jahr 1848 wird berichtet, dass die Angehörigen des Füsilierbataillons in Privatquartieren in der Nähe der Kaserne untergebracht waren. Da das alte Kasernengebäude bereits im 19. Jahrhundert nicht mehr ausreichte und die Einheiten des Regiments auf andere Standorte in Berlin verteilt werden mussten, bezog das Regiment zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Neubau an der heutigen Geschwister-Scholl-Straße (vormals Prinz-Friedrich-Karl-Straße), zwischen Bahnhof Friedrichstraße und Museumsinsel (am Kupfergraben). Die Nationale Volksarmee der DDR benannte den Kasernenkomplex nach Friedrich Engels, der seinen Wehrdienst als Einjährig-Freiwilliger 1841 bei der Garde-Artillerie-Brigade Am Weidendamm 1–3 abgeleistet hatte. Dort befand sich bis 1990 das Wachregiment der NVA. Heute ist der Kasernenkomplex teilweise Bestandteil der sogenannten Museumshöfe des Deutschen Historischen Museums (DHM) und der Staatlichen Museen Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Weitere Gebäude werden von der Humboldt-Universität zu Berlin genutzt. Der im Volksmund als „Alter Exer“ bezeichnete Exerzierplatz des Alexander-Regiments befand sich an der Schönhauser Allee im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, dort trug Hertha BSC bis 1905 seine ersten Spiele aus. Heute befindet sich hier der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Der erste Wachaufzug mit klingendem Spiel überhaupt vor der Schinkelschen „Neuen Wache“ erfolgte am 18. September 1818 anlässlich des Besuchs des Regimentschefs, Zar Alexander von Russland, durch das Alexander-Regiment. Deutsche Revolution 1848/49 Bei den Straßenkämpfen während der Märzrevolution in Berlin fielen ein Premier-Leutnant (Oberleutnant) und drei Grenadiere. Ob und wie viele Berliner Bürger dem bewaffneten Einschreiten des Regiments zum Opfer fielen, ist nicht bekannt. Am 23. April 1848 (eingesetzt war das Füsilier-Bataillon) starben bei Schleswig zwei Leutnants und drei Füsiliere. Vom 5. bis 9. Mai 1849 war das Regiment (I. Bataillon und Füsilier-Bataillon) in Dresden im Straßenkampf eingesetzt. Dabei fielen zwei Leutnants sowie zwei Füsiliere. Auch hier gibt es keine Zahlen über die Toten und Verwundeten unter der Zivilbevölkerung. Die Alexandriner konnten eine Kanone der Aufständischen erobern. Diese Kanone zierte später ein Denkmal zur Erinnerung der Gefallenen des Regiments bei den Dresdner Straßenkämpfen im Garten des Offizierskasinos. Deutscher Krieg 1866 Am 28. Juni bei Soor und am 3. Juli in Königgrätz kämpfte das Regiment. Bei Königgrätz standen die Alexandriner dem österreichischen Alexander-Regiment (Infanterie-Regiment Kaiser Alexander von Rußland Nr. 2) gegenüber. Grenadier Plitzko vom Brigade-Regiment „Elisabeth“ eroberte die Fahne des 2. österreichischen Bataillons. Die Fahne kam später nach Potsdam in die Garnisonkirche. Die Verluste in diesem Feldzug waren verhältnismäßig gering, mit einem Unteroffizier und sieben Mann. Deutsch-Französischer Krieg 1870/71 Am Tage von St. Privat, dem 18. August 1870, wurden 13 Offiziere getötet und 14 verwundet, darunter zwei Bataillonskommandeure. Die Mannschaften erlitten Ausfälle von 820 Mann (Gefallene und Verletzte). An diesem Tage fiel auch der älteste Kriegsfreiwillige dieses Krieges. Der Unteroffizier Christian Raspe, 10. Kompanie, ein 53-jähriger Gastwirt, geboren im Kreis Mansfeld, der bereits 1837 im Regiment gedient hatte und 1848 als Halbinvalide ausgeschieden war, hatte sich bei der Mobilmachung erneut gemeldet. Er machte den Einmarsch in Frankreich zu Fuß mit, musste aber später aufgrund wunder Füße auf dem Kompaniekarren gefahren werden. Am Tag der Schlacht bestand er darauf mitzukämpfen und fiel durch einen Schuss in die Brust. Weitere gefallene Offiziere hatte das Regiment im Verlauf dieses Krieges nicht zu verzeichnen; die Anzahl der gefallenen Unteroffiziere und Mannschaften ist nicht bekannt. Das Regiment war in zentraler Rolle der Eroberung bei Le Bourget am 30. Oktober 1870 beteiligt. Ein Bild stellt den Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Division, Generalmajor Rudolph Otto von Budritzki (vorher Kommandeur der Alexandriner) mit der Fahne des II. Bataillons des Regiments „Elisabeth“ dar, die er dem fallenden Fahnenträger beim Sturmangriff entrissen hatte. In diesem Angriff entschied ein 23-jähriger Seconde-Leutnant an der Spitze der 8. Kompanie den Kampf um den Bahnhof. Bereits für St. Privat mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet, wurde ihm das Eiserne Kreuz 1. Klasse verliehen. Beim Siegeseinzug in Berlin wurde ihm die Ehre zuteil, vor allen Gardetruppen an der Spitze der 89 eroberten französischen Fahnen zu marschieren und diese am Reiterdenkmal König Friedrich Wilhelms III., das an diesem Tag enthüllt wurde, niederzulegen. Beim Kampf um die Gasfabrik stürmte der Tambour der 7. Kompanie, Friedrich Wilhelm Bümsen, zum Sturm trommelnd nach vorn zu seinem Kompaniechef. Als das Trommelfell platzt, drehte er die Trommel um und schlug weiter. Er war als einer der ersten im Hof der Gasfabrik. Als Tambour von „Le Bourget“ wurde er in Gedichten verewigt. Der „Figaro“ kaufte die Geschichte von der Zeitschrift Daheim und brachte das Bild des Tambours auf der ersten Seite. Weitere Teilnahme an Gefechten: 18. August Gravelotte-St. Privat 01. September Sedan 19. September 1870 – 29. Januar 1871 Einschließung und Belagerung von Paris 23. September Schlacht bei Le Bourget (5. Kompanie) 30. Oktober Le Bourget (I. und II. Bataillon) 21. Dezember Le Bourget (I. Bataillon und Füsilier-Bataillon) 15. Januar 1871 Le Bourget (I. Bataillon und Füsilier-Bataillon) 15. Januar 1871 Drancy (10. und 11. Kompanie) Erster Weltkrieg Die Teilnahme am Ersten Weltkrieg erfolgte im Rahmen der 2. Garde-Division. Während dieses Krieges fielen vier von sechs Majoren und elf von 16 Hauptleuten; einer verstarb in britischer Kriegsgefangenschaft. Die Reserveoffiziere des Regiments rekrutierten sich überwiegend aus Kaufleuten, Lehrern, Architekten und Juristen und waren durchweg bürgerlich. Es sind insgesamt 3.728 Angehörige des Regiments im Ersten Weltkrieg gefallen, davon 167 Offiziere (51 bei anderen Truppenteilen) und 3.561 Unteroffiziere und Mannschaften. Die Friedensstärke des Regiments betrug 2.058 Mann. Gefechtskalender 1914 Vormarsch an die Marne, Gefecht bei Auvelais und St. Quentin im August Marne-Schlacht, Abwehrkämpfe bei Reims im September Arras, Hébuterne im Oktober bis Januar 1915 1915 Ruhe bei Douai Januar/Februar Sommecourt und Hébuterne Februar bis März Ruhe im Elsass im April Schlacht bei Tarnow Anfang Mai Jaroslau Mai bis Juni Tuchla und Grodek-Stellung, Lemberg im Juni Schlacht bei Zamość und Krasnostaw im Juli Chełm, Lublin, Parczew, Lesna Podlaska Ende Juli und August Herbstschlacht bei La Bassée und Arras im September bis Mitte Oktober Stellung bei Roye Oktober 1915 bis August 1916 1916 Fouquescourt August Sommeschlacht August/September Laucourt September/Oktober Somme Oktober bis Januar 1917 1917 Hinter der Front Januar/Februar Somme Februar bis März Ruhe um Vervins März/April Abwehr der französischen Frühjahrsoffensive am Chemin des Dames, April/Mai Argonnen Mai/Juni Durchbruch in Ostgalizien Juni bis Anfang August Eroberung von Riga August bis Anfang September Schlacht an der Laffaux-Ecke, September/Oktober St. Mihiel Oktober bis Januar 1918 1918 Metz Januar bis März Arras März Avre-Brückenkopf bei Mailly März/Mai Ruhe bei Landrecies Mai Villers-Cotterets Ende Mai bis Mitte Juni Ruhe bei Beaurieux-Glennes Juni bis Mitte Juli Zweite Marne-Schlacht Juli Ruhe bei Montcornet August Somme August/September Siegfried-Stellung September Le Catelet und Römerstraße September/Oktober Flandern Oktober bis Anfang November Verbleib Mit dem 27. November 1918 wurde das Regiment demobilisiert. Alle Reserveoffiziere und vor dem Jahr 1897 geborenen Mannschaften wurde entlassen und der Tross des Regiments aufgelöst. Am 30. November 1918 wurde aus den Resten des Regiments ein Freiwilligen-Bataillon aufgestellt, das zum Grenzschutz Ost, zur Sicherung der deutschen Ostgrenze vor allem gegen polnische Nationalisten und die russische Rote Armee, nach Gleiwitz in Schlesien befördert wurde. Kommandeur des Bataillons war der ehemalige Regimentskommandeur Oberst Kundt. Das Bataillon übernahm in den nächsten vier Monaten im Rahmen der 2. Garde-Division die Sicherung des Abschnittes Lublinitz. In dieser Zeit stießen viele Freiwillige zum Bataillon. Am 17. April 1919 beschloss Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) den Einsatz von Reichswehrverbänden gegen die „Rote Armee“ der bayerischen Räterepublik in München. Am 24. April 1919 wurde das Bataillon nach Bayern verlegt und kam dort am 30. April 1919 im Bereitstellungsraum nördlich von München an. In München kam es zu teilweise heftigen Straßenkämpfen auch mit schweren Waffen und zahlreichen Toten auf beiden Seiten. Vom Bataillon fielen der Vizefeldwebel Lauterbach und der jüngste Grenadier, ein 16-jähriger Freiwilliger aus Lublinitz. Eine größere Anzahl wurde verwundet. Am 2. Mai 1919 konnten die Truppen der Münchner Räterepublik besiegt werden. Zwei weitere Soldaten fielen bei Schießereien nach Beendigung des Aufstandes. Mitte Mai wurde das Bataillon wieder beim Grenzschutz Ost im Abschnitt Tarnowitz in Schlesien eingesetzt. Nach einigen Wochen verlegte das Bataillon nach Fürstenwalde/Spree. Aus dem Bataillon wurde im Juli 1919 das I. Bataillon des Reichswehr-Infanterie-Regiments 51 gebildet. Das Bataillon wurde während des Kapp-Putsches in Berlin eingesetzt und hatte die Aufgabe, eine bewaffnete technische Formation zu entwaffnen. Von Mai bis Dezember 1920 wurde das Bataillon mehrmals verkleinert und Soldaten entlassen. Mit dem 31. Dezember 1920 wurden die Abzeichen des Alexander-Regiments abgelegt. Die Reste des Bataillons kamen nach Spandau-Ruhleben in Garnison und aus ihnen wurde die 9. und 12. Kompanie des 9. (Preußisches) Infanterie-Regiments gebildet, die am 24. August 1921 die Tradition des ehemaligen Alexander-Regiments in der Reichswehr übernahm. In der Wehrmacht führte das III. Bataillon des Grenadierregiments 67 „Generaloberst von Seeckt“ die Tradition fort. Auch hier wurden traditionell zur Seitenwaffe eine Säbeltroddel mit juchtenledernem Riemen getragen zur Erinnerung an die Schlacht bei Cassano. Außerdem durften auf dem Extra-Seitengewehr oder -Säbel auf den Griffschalen das goldene „Alexander-A“ mit Krone angebracht werden. Regimentschefs Name Datum Alexander I. von Russland 19. Oktober 1814 bis 1. Dezember 1825 Alexander II. von Russland 03. März 1871 bis 13. März 1881 Alexander III. von Russland 27. März 1881 bis 1. November 1894 Nikolaus II. von Russland ab 20. November 1894 Kommandeure Dienstgrad Name Datum Major/ Oberstleutnant/ Oberst Karl von Schachtmeyer 14. Oktober 1814 bis 27. März 1825 Oberst Friedrich Heinrich Ludwig von Pfuel 30. März 1825 bis 26. September 1829 Oberst Alexander Trützschler von Falkenstein 27. September 1829 bis 13. Januar 1833 Major/ Oberstleutnant/ Oberst Ferdinand von Voß-Buch 14. Januar 1833 bis 6. September 1840 Oberst Wilhelm von Thümen 07. September 1840 bis 13. Dezember 1841 Oberstleutnant/ Oberst Eduard von Bonin 14. Dezember 1841 bis 8. März 1848 Oberstleutnant Friedrich von Waldersee 09. März bis 6. Mai 1848 (mit der Führung beauftragt) Oberstleutnant/Oberst Friedrich von Waldersee 07. Mai 1848 bis 26. Dezember 1849 Oberst Ludwig von Rauchhaupt 27. Dezember 1849 bis 12. Oktober 1854 Oberst Hans Paulus Herwarth von Bittenfeld 26. Oktober 1854 bis 13. August 1856 Oberst Heinrich Adolf von Zastrow 14. August 1856 bis 7. Juli 1858 Oberst Louis von Alvensleben 08. Juli 1858 bis 15. Januar 1859 Oberstleutnant/Oberst Friedrich von Clausewitz 03. August 1858 bis 17. Januar 1859 (mit der Führung beauftragt) Oberst Friedrich von Clausewitz 18. Januar 1859 bis 19. September 1861 Oberst Constantin von Alvensleben 20. September 1861 bis 24. Juni 1864 Oberst Hermann von Tresckow 25. Juni 1864 bis 17. April 1865 Oberst Rudolph Otto von Budritzki 18. April 1865 bis 19. Mai 1866 Oberst Otto Knappe von Knappstädt 20. Mai 1866 bis 17. Juli 1870 Oberst Barnim von Zeuner 18. Juli 1870 bis 1. Dezember 1873 Oberst Botho von Wussow 02. Dezember 1873 bis 31. Oktober 1879 Oberst Hugo von Winterfeld 01. November 1879 bis 19. September 1881 Oberst Hans von Kaltenborn-Stachau 20. September 1881 bis 21. März 1884 Oberst Rudolph von Unruhe 22. März 1884 bis 11. Januar 1886 Oberst Benno von Henninges 12. Januar 1886 bis 18. September 1888 Oberst Hermann von Rauchhaupt 19. September 1888 bis 26. Januar 1890 Oberstleutnant Ernst von Bülow 27. Januar bis 23. März 1890 (mit der Führung beauftragt) Oberst Ernst von Bülow 24. März 1890 bis 17. April 1893 Oberst Georg von Sausin de Montanières 18. April 1893 bis 11. September 1896 Oberst Helmuth Johannes Ludwig von Moltke 12. September 1896 bis 24. März 1899 Oberst Reinhard von Scheffer-Boyadel 25. März 1899 bis 17. April 1901 Oberstleutnant Dedo von Schenck 18. April bis 17. Mai 1901 Oberst Dedo von Schenck 18. Mai 1901 bis 26. Januar 1905 Oberst Otto von Plüskow 27. Januar 1905 bis 1. Mai 1908 Oberst August von Bauer 02. Mai bis 26. Oktober 1908 Oberst Friedrich Wilhelm Ewald Leopold von Kleist 27. Oktober 1908 bis 21. März 1910 Oberst Hans Schach von Wittenau 22. März 1910 bis 3. Juli 1913 Oberst Bernhard Finck von Finckenstein 04. Juli 1913 bis 9. September 1914 Major Linker 10. bis 19. September 1914 (mit der Führung beauftragt) Major Kortegarn 19. September bis 6. Oktober 1914 (mit der Führung beauftragt) Oberst Alexis von Stein-Liebenstein zu Barchfeld 28. Dezember 1914 bis 2. Januar 1917 Oberst Hans Kundt 03. Januar 1917 bis 1. März 1918 Major Fritz von Wedekind 01. März 1918 bis 19. Januar 1919 Oberst Hans Kundt 20. Januar 1919 bis Auflösung Uniform Schematische Darstellung der Uniform (1890) Das Alexander-Regiment trug einen blauen Rock mit ponceaurotem Kragen, die Schulterklappen waren weiß mit Namenszug aus roter Kordel (verschnörkeltes lateinisches „A“ unter einer Zarenkrone, darunter eine arabische 1). Die Waffenröcke hatten brandenburgische Aufschläge mit dunkelblauen Patten und drei waagerechten Litzen. Am Helm wurde der Gardeadler mit Stern getragen; zu Paraden wurde ein weißer Helmbusch angelegt, das Füsilier-Bataillon legte einen schwarzen Helmbusch an. Die Hoboisten (Militaermusiker) des Regiments trugen einen roten Helmbusch. Ab dem 18. Januar 1834 durfte das Regiment die Garde-Litzen am Kragen der Mannschaften anlegen (Offiziere hatten eine Stickerei seit der Errichtung). Seit dem 22. März 1874 beziehungsweise 14. April 1874 eine Stickerei beziehungsweise Litzen auf den Ärmelpatten. Im März 1894 wurden dem Regiment vom Kaiser die Grenadiermützen verliehen, die vorher das 1. Garde-Regiment getragen hatte. 1824 wurden diese Grenadiermützen von Zar Alexander I. dem 1. Garde-Regiment verliehen. Als Vorbild dienten die Mützen des russischen Leibgarderegiments „Pawlow“; einzig die Prägung des messingnen Mützenblechs war verschieden: hier war es der Stern des Schwarzen Adlerordens und darüber die preußische Königskrone, bei Mannschaften aus Weißmetall, bei Offizieren aus Silber. Als das Regiment zum ersten Mal am 14. März 1894 vor dem Kaiser mit den neuen Mützen paradierte, hielt er folgende Ansprache: „Ich habe euch diese Grenadier-Mützen gegeben als ein Zeichen des Dankes für die bisherige stramme Haltung des Regiments, für die hervorragenden Leistungen im Kriege und für mein Haus, und auch aus dem Grunde, weil das Regiment Alexander fast nur aus Grenadier-Bataillonen der alten Friederizianischen Armee zusammengesetzt ist …“ – Wilhelm II. Als Auszeichnung und zur Erinnerung trugen ab dem 13. Dezember 1842 die 7. und die 8. Kompanie eine Säbel-Troddel mit juchtenledernem Riemen an der Seitenwaffe, wie sie den Grenadieren des Regiments Schöning für die Schlacht von Cassano verliehen worden war. Denkmäler Auf dem Garnisonsfriedhof in Berlin-Neukölln, Columbiadamm, befindet sich ein Denkmal der Gefallenen des Regiments. Das Denkmal steht seit 1957 an diesem Standort (vorher befand es sich in Berlin-Hasenheide), der Künstler ist Kurt Kluge. Das Denkmal zeigt einen knienden barhäuptigen Soldaten, den am 8. September 1914 in der Marneschlacht gefallenen, mit Kluge befreundeten, Eberhard Freiherr von der Recke von dem Horst im Zeitpunkt seines Todes, eine Fahne haltend. An den Seiten der Namenszug des Regiments. Im Garten der Ressource (Offizierkasino) stand ein Denkmal mit einer bei den Dresdner Straßenkämpfen eroberten Kanone zur Erinnerung an die im Mai 1849 Gefallenen. Im lothringischen Amanweiler steht ein Denkmal zur Erinnerung an die Gefallenen des Tages von St. Privat und in der Garnisonkirche Berlin in der Neue Friedrichstraße war für die Gefallenen des Regiments eine Gedenktafel angebracht. Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Albert Victor von Preußen, (* 27. Januar 1859 in Berlin, Preußen; † 4. Juni 1941 in Doorn, Niederlande) entstammte der Dynastie der Hohenzollern und war von 1888 bis 1918 Deutscher Kaiser und König von Preußen. Einleitung Die dreißigjährige Regentschaft Wilhelms II. im Deutschen Reich (von 1888 bis 1918) wird als die wilhelminische Epoche bezeichnet. Herausragende Merkmale waren das Streben des Kaisers nach nationalem Prestige und die Versuche, das Reich in den Rang einer Weltmacht zu erheben. Eng verbunden mit diesem Anspruch war die militärische Aufrüstung des Kaiserreichs und die Forcierung der Kolonialpolitik in Afrika und der Südsee. Dies und die Verwicklung des Deutschen Reichs in verschiedene internationale Krisen (zum Beispiel Krügerdepesche 1896, Marokko-Krisen 1905/06 und 1911, Daily-Telegraph-Affäre 1908) führte zu einer Destabilisierung der Außenpolitik. Die Vorliebe Wilhelms für militärischen Prunk, die sich beispielsweise in zahlreichen Paraden zu den unterschiedlichsten Anlässen ausdrückte, führte auch gesellschaftlich zu einer Überbetonung des Militärs und militärischer Hierarchien bis hinein ins zivile Leben der deutschen Gesellschaft, in der für eine berufliche Laufbahn – nicht nur im Verwaltungsapparat – die Ableistung des Militärdienstes und der militärische Rang eines Menschen von entscheidender Bedeutung war (Militarismus). Der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands während Wilhelms Regentschaft, verbunden mit technologischem, naturwissenschaftlichem und industriellem Fortschritt, begünstigte eine auch vom Kaiser mit getragene allgemein verbreitete Technik- und Fortschrittsgläubigkeit. Innenpolitisch setzte er die für ihre Zeit als modern und fortschrittlich geltende Sozialpolitik Bismarcks fort und erweiterte sie. Er setzte sich für die Abschaffung des Sozialistengesetzes ein und suchte, teilweise erfolglos, den Ausgleich zwischen ethnischen und politischen Minderheiten. Wilhelm II. wollte sowohl die Innen- als auch Außenpolitik des Reiches wesentlich stärker als sein Großvater Wilhelm I. beeinflussen. Das „persönliche Regiment“ des Kaisers war aber in Wirklichkeit eine von häufig wechselnden Beratern gesteuerte Politik, die die Entscheidungen Wilhelms im Urteil der meisten Historiker oft widersprüchlich und letztlich unberechenbar erscheinen ließen. Wilhelm II. nutzte durch seinen sprunghaften Charakter die Macht, die ihm die Reichsverfassung zugestand, nie konsequent, musste aber immer wieder erleben, dass diejenigen, die ihn zu schwerwiegenden Entscheidungen drängten, sich hinter seinem Rücken versteckten, als sich deren Misserfolg abzeichnete. Die Marokkokrisen oder die Erklärung des unbeschränkten U-Boot-Krieges sind nur zwei Beispiele für Entscheidungen anderer Personen, die den Ruf des Kaisers heute nachhaltig belasten. Auch war seine Amtszeit von politischen Machtkämpfen zwischen den einzelnen Parteien geprägt, die es den amtierenden Kanzlern nur schwer möglich machten, längerfristig im Amt zu bleiben. So wurden im Kampf zwischen dem sog. Nationalliberal-Konservativen Kartell, Bülow-Block und Sozialdemokraten fünf von sieben Kanzlern unter kritischem Mitwirken des Parlaments entlassen. Während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 wurde Wilhelms strategische und taktische Unfähigkeit offenbar. Ab 1916 enthielt er sich zunehmend relevanter politischer Entscheidungen und gab die Führung des Reiches faktisch in die Hände der Obersten Heeresleitung, namentlich in die der Generäle von Hindenburg und Ludendorff, die die Monarchie während der letzten Kriegsjahre mit starken Zügen einer Militärdiktatur versahen. Als Wilhelm II. sich nach Ende des „großen Kriegs” in Folge der Novemberrevolution, die zum Ende der Monarchie und zur Ausrufung der Republik führte, zur Abdankung und zur Flucht ins Exil nach Holland entschloss, hatte das deutsche Kaiserreich den Krieg verloren. Etwa 10 Millionen Menschen waren auf den Schlachtfeldern gefallen. Kindheit und Jugend Wilhelm II. wurde am 27. Januar 1859 in Berlin als ältester Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (1831–1888) (vom 9. März bis 15. Juni 1888 Deutscher Kaiser Friedrich III.) und dessen Frau Victoria (1840–1901) geboren und war somit Enkel Kaiser Wilhelms I. (1797–1888) und der englischen Königin Victoria (1819–1901). Die Geburt Wilhelm des Zweiten war ausgesprochen schwierig, der Prinz kam als Steißgeburt zur Welt und überlebte nur durch das couragierte Eingreifen einer Hebamme, die das leblose Baby ganz gegen das Protokoll mit einem nassen Handtuch schlug. Der linke Arm des Kindes war so verletzt, dass er zeitlebens gelähmt und deutlich kürzer blieb. 101 Salutschüsse verkündeten das freudige Ereignis, eine jubelnde Menschenmenge versammelte sich vor dem Kronprinzenpalais, die Thronfolge im Hause Hohenzollern war gesichert. Keinen gesunden Thronfolger geboren zu haben, empfand Prinzessin Victoria als persönliches Versagen und war nur schwer bereit, die Behinderung des Sohnes zu akzeptieren. Kronprinz Wilhelm erlebte eine Kindheit voll Torturen, nichts blieb unversucht, seine Behinderung zu beheben. Legendär sind Kuren wie das Einnähen des kranken Armes in ein frisch geschlachtetes Kaninchen oder Metallgerüste, die Wilhelm umgeschnallt wurden, um seine Haltung zu verbessern. Wilhelm, von Geburt an durch diesen verkümmerten Arm behindert, verbrachte laut eigenen Aussagen „eine recht unglückliche Kindheit“. Wie im Hochadel üblich, traten seine Eltern als unmittelbare Erzieher ganz hinter seinem calvinistischen Lehrer Georg Ernst Hinzpeter zurück. Als Siebenjähriger erlebte er den Sieg über Österreich-Ungarn 1866 mit der daraus resultierenden Vorherrschaft Preußens in Deutschland. Mit zehn Jahren, im damals üblichen Kadettenalter, trat er beim 1. Garde-Regiment zu Fuß formell als Leutnant in die preußische Armee ein. Als Zwölfjähriger wurde er mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach dem Sieg über Frankreich 1871 auch übernächster Anwärter auf den deutschen Kaiserthron. Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium in Kassel trat er am 9. Februar 1877 seinen realen Militärdienst bei seinem Regiment (6.Kompagnie, Hauptmann v. Petersdorff) an. 1880 wurde er am 22. März, dem Geburtstag seines Großvaters Kaiser Wilhelm I., zum Hauptmann befördert. Bereits in diesen Jahren bildete sich bei ihm ein Verständnis seiner monarchischen Rolle, das den liberal-konstitutionellen Vorstellungen seiner Eltern zuwiderlief. Seine folgenden Lebensstationen sind unter dem Aspekt einer Erziehung zum Monarchen zu sehen: Er sollte möglichst vielerlei Erfahrungen sammeln, erhielt aber in keinem Feld, nicht einmal im militärischen, die Chance, sich beruflich solide einzuarbeiten. Zum Studium begab er sich an die von seinem Urgroßvater gegründete Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er nichtschlagendes Mitglied des Corps Borussia wurde. 1881 heiratete er Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (22. Oktober 1858–11. April 1921). Bis 1888 war er dann wechselnden Regimentern zugeordnet, dem 1. Garde-Regiment zu Fuß, dann dem Garde-Husaren-Regiment und dem 1. Garde-Feldartillerie-Regiment, wurde schnell bis zum untersten Generalsrang (Generalmajor) befördert und zuletzt Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade. Der Militärdienst wurde immer wieder durch Beurlaubungen unterbrochen, damit er sich auch soweit möglich mit der zivilen Verwaltung vertraut machen konnte. Sehr gründlich konnte dies nicht geschehen, denn immer mehr Eile war geboten: Sein Großvater stand im höchsten Alter, und sein Vater war mittlerweile todkrank. Für die Regierungsgeschäfte war dies weniger problematisch, als man vermuten konnte, da bereits seit 1862 Otto von Bismarck, zunächst als preußischer Ministerpräsident, ab 1871 als Reichskanzler die politische Macht fest in seiner Hand konzentriert hatte. Bismarck war nach drei siegreichen Kriegen (1864, 1866, 1870/71) und als Einiger Deutschlands zur stärksten kontinentaleuropäischen Macht ein weltweit respektierter Staatsmann. Wilhelm I. und Friedrich III. hatten ihm gelegentlich opponiert und am Ende stets vertraut. Von diesem Vertrauen hing allerdings nach der Reichsverfassung der Reichskanzler ab, nicht vom Vertrauen des Reichstags. Bismarck baute selbstbewusst darauf, auch den dritten Kaiser lenken zu können. Das Jahr 1888 ging als Dreikaiserjahr in die Geschichte ein. Nach dem Tode Wilhelms I. am 9. März 1888 regierte Friedrich III. aufgrund seiner bereits fortgeschrittenen Krankheit (Kehlkopfkrebs) nur für 99 Tage (der „99-Tage-Kaiser“). Friedrich III. starb am 15. Juni in Potsdam. An diese Konstellation hatte der 29-jährige Wilhelm II. bei seinem Amtsantritt anzuknüpfen. Er wünschte, ein Kaiser aller Deutschen zu sein. Regentschaft und Politik Soziale Reformen „[...], weil die Arbeiter meine Untertanen sind, für die ich zu sorgen habe! Und wenn die Millionäre nicht nachgeben, werde ich meine Truppen zurückziehen und wenn ihre Villen erst in Flammen stehen, werden sie schon klein beigeben!“ (Wilhelm II. zu Otto von Bismarck, als er sich weigerte, Soldaten zur Niederschlagung eines Streiks im Ruhrgebiet zu schicken.) Dieses Zitat und andere Äußerungen Wilhelms in den ersten Jahren seiner Regentschaft weckten in der Arbeiterschaft zunächst Hoffnungen auf einen sozialen Wandel im Reich. Die Sozialpolitik lag Wilhelm II. durchaus am Herzen. Allerdings folgten seinen sozialen Reformen keine strukturellen Veränderungen im Reich. Im Gegenteil, er baute seinen politischen Einfluss noch aus und lehnte eine Demokratisierung der Verfassung ab. Preußen behielt das seit Anfang der 1850-er Jahre bestehende undemokratische Dreiklassenwahlrecht, das eine repräsentative Landtagsvertretung verhinderte. Nach wie vor wurde die Regierung nicht vom Reichstag gewählt, sondern vom Kaiser ohne Berücksichtigung der parlamentarischen Verhältnisse bestimmt oder entlassen. Es war dem Kanzler aber auch nicht möglich ohne Mehrheit im Parlament Gesetze zu erlassen oder den Haushalt zu beschließen. Das Parlament war in seiner Macht, als echte Legislative, nicht zu unterschätzen. Bei alledem forderte Kaiser Wilhelm II. noch während Bismarcks Kanzlerschaft am 178. Geburtstag Friedrichs des Großen in einer Proklamation an sein Volk, mit der Devise: „Je veux être un roi des gueux“ (frz.; zu dt.: „Ich will ein König der armen Leute sein“) das Verbot der Sonntagsarbeit, der Nachtarbeit für Frauen und Kinder, der Frauenarbeit während der letzten Schwangerschaftsmonate sowie die Einschränkung der Arbeit von Kindern unter vierzehn Jahren. Außerdem forderte er bei dem zur Erneuerung anstehenden „Gesetz wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ („Sozialistengesetz“) die Streichung des Ausweisungsparagraphen, der die Polizei zur Ausweisung „gefährlicher Sozialisten“ aus ihrem Heimatort berechtigte. Reichskanzler Bismarck kommentierte dies als „Humanitätsduselei“ und verweigerte sich dem in seinen Forderungen durch den Reichstag unterstützten Kaiser. Seine Forderungen konnte der junge Kaiser erst mit dem Nachfolger Bismarcks durchführen, Leo von Caprivi. Allerdings war Wilhelm II. bei allen sozialen Ambitionen so wenig ein Freund der Sozialdemokratie, wie Bismarck es gewesen war. Im Gegenteil hoffte er, durch seine Reformen die Sympathien für die trotz der Sozialistengesetze erstarkte Sozialdemokratie zu schwächen und durch die Aufhebung des repressiven Sozialistengesetzes der 1890 von SAP in SPD umbenannten Partei ihren Märtyrerbonus zu nehmen. Die Sozialdemokraten ihrerseits ließen sich nicht von dem Reformen Wilhelms II. beeindrucken und setzten unter August Bebel aus ihrem antimonarchistischen Selbstverständnis heraus weiter auf Fundamentalopposition. Obwohl sie den Fortschritt der im Arbeitsschutzgesetz zusammengefassten Reformen sahen, stimmten sie im Reichstag dagegen. Sie forderten grundlegende strukturelle Veränderungen wie zum Beispiel eine Verfassungsänderung, Demokratisierung, ein ausgeweitetes Wahlrecht, Vorrang des Parlaments bei politischen Entscheidungen, eine Umstrukturierung des Haushalts, deutliche Senkung der Rüstungsausgaben, Freiheit für die Kolonien und anderes mehr, für den Kaiser unerfüllbare Anliegen, die seinen Hass auf die Sozialdemokratie noch steigerten. Der Wohlstand der deutschen Arbeiterschaft stieg von Jahr zu Jahr, doch gelang es Wilhelm II. nicht, den Arbeitern in den Städten das Gefühl zu geben, anerkannte Mitglieder der Gesellschaft zu sein, was zu starken Stimmenzuwächsen der Sozialdemokraten im Reichstag und den Landtagen der Länder führte. Diese Vorgänge ließen in Wilhelm II., der immer noch „ein König der Armen“ sein wollte, das Urteil reifen, dass eine Versöhnung mit den Sozialdemokraten nicht möglich sei. Er rief schließlich in Königsberg „zum Kampf für Religion, Sitte und Ordnung, gegen die Parteien des Umsturzes!“ auf. Überblick der unter der Herrschaft Wilhelms II. erlassenen sozialen Reformen 1889: Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni (für Arbeiter) 1890: Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890: Gründung von 31 Versicherungsanstalten – Vorläufer der Landesversicherungsanstalten (LVA) 1891: Auszahlung der ersten Renten an dauernd Erwerbsunfähige und an Arbeiter über 70 Jahre 1891: Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni (23. Novelle zur Reichsgewerbeordnung) mit Frauenschutz, eingeschränkter Nachtarbeit, Sonntagsruhe und Kinderschutz 1891: Einführung der staatlichen Gewerbeaufsicht 1891: Zulassung freiwilliger Arbeiterausschüsse in Betrieben 1891: Verbot der Sonntagsarbeit in Industrie und Handwerk 1892: Novellierung des Krankenversicherungsgesetzes mit Erweiterungen der Versicherungspflicht (Ausweitung auf Familienangehörige) 1895: Verbot der Sonntagsarbeit für das Handelsgewerbe. 1899: Invalidenversicherungsgesetz 1901: Förderung des Arbeiterwohnungsbaus 1905: Arbeiterausschüsse werden in Bergbaubetrieben zur Pflicht 1908: Höchstarbeitszeit, keine Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche 1911: Reichsversicherungsordnung (RVO) 1911: Einführung der Hinterbliebenenrente 1911: Versicherungsgesetz für Angestellte 1911: Hausarbeitsgesetz (Regelung der Heimarbeit) 1916: Herabsetzung des Rentenalters für Arbeiter von 70 auf 65 Jahre 1916: Herabsetzung des Rentenalters für Frauen auf 60 Jahre Entlassung Bismarcks und Antritt Caprivis [Bearbeiten] In der letzten Periode der Regierungszeit Bismarcks hatte das Deutsche Reich einer „Kanzlerdiktatur“ geglichen, dessen politische Ziele nicht die des jungen Kaisers waren. Bismarck wollte Russland als einen starken Verbündeten, Wilhelm II. vertraute auf Österreich-Ungarn. Bismarck wollte den „Kulturkampf“ gegen den politischen Katholizismus fortsetzen, der Kaiser war strikt dagegen. Bismarck wollte das Sozialistengesetz verschärfen, Wilhelm II. wollte es abschaffen: „Ich will meine ersten Regierungsjahre nicht mit dem Blut meiner Untertanen färben!“ Als der Reichskanzler hartnäckig blieb, schickte der Kaiser am Morgen des 17. März 1890 den Chef seines Militärkabinetts, General v. Hahnke, in die Reichskanzlei: Der Kanzler solle am Nachmittag ins Schloss kommen und sein Abschiedsgesuch mitbringen. Dieses wurde ihm am nächsten Morgen aber nur durch einen Boten gebracht. Am 20. März 1890 entließ Wilhelm II. den Reichskanzler Otto von Bismarck. Bismarck überwand dies nie und sorgte indirekt durch vielfach lancierte Kritik an den „Hintermännern“ der wilhelminischen Politik und durch sein Memoirenwerk Gedanken und Erinnerungen für nachhaltige Kritik an Wilhelm II . (Der dritte Teil der Memoiren, in welchem Bismarck seine Entlassung darstellte, wurde in der Tat wegen extremer politischer Brisanz erst 1919 veröffentlicht, als Deutschland Republik geworden war.) Aus der Bismarckschen Darstellung geht explizit hervor, wie isoliert er zum Zeitpunkt der Entlassung schon war, dass er nicht einmal bei den Angehörigen seines eigenen Kabinetts Unterstützung fand und dass sein Stellverteter, Karl Heinrich von Boetticher, in seiner Abwesenheit und ohne seine Billigung mit dem Kaiser in dessen Sinne verhandelt hatte. Bismarck wollte das unterbinden und berief sich auf eine (38 Jahre alte) Kabinettsorder, die es den preußischen Ministern untersagte, ohne Billigung des Kanzlers mit dem Souverän zu sprechen. Damit war für den Kaiser das Maß voll und Bismarck musste „aus Gesundheitsgründen“ sofort zurücktreten. Der Rücktritt Bismarcks war somit zwar primär innenpolitisch begründet, aber langfristig gesehen vor allem außenpolitisch fatal. Bezeichnenderweise erinnerte man nur in Wien, nicht dagegen in St. Petersburg, sofort und explizit an Bismarcks Verdienste (Brief vom Kaiser Franz Joseph I.). Als Bismarcks Nachfolger ernannte Wilhelm II. den General Leo von Caprivi (1831–1899). Caprivi wurde vom Kaiser als „Mann der rettenden Tat“ gefeiert und ob seiner Leistungen in den Grafenstand erhoben. Mit Caprivi glaubte Wilhelm II. eine anerkannte Persönlichkeit gefunden zu haben, mit der er seine geplante Politik der inneren Versöhnung sowie das Arbeitsschutzgesetz durchzusetzen hoffte. Ein wichtiges außenpolitisches Ereignis fiel (quasi „genau passend“) in dieses Jahr des Kanzlerwechsels: Der Rückversicherungsvertrag mit Russland widersprach teilweise den Bedingungen des Dreibundpaktes mit Italien und Österreich-Ungarn. Der Kaiser war gegen ein Verletzen des letztgenannten Paktes, während Bismarck den Rückversicherungsvertrag seinerzeit für unbedingt notwendig gehalten hatte. Jetzt, 1890, ging es um seine Verlängerung. Von der Öffentlichkeit unbemerkt (es handelte sich ohnehin um einen Geheimvertrag), und von Caprivi hingenommen, wurde der auslaufende Rückversicherungsvertrag vom Deutschen Reich bewusst nicht erneuert. In Russland nahm man realistischerweise einen deutschen Kurswechsel an und begann, sich Frankreich anzunähern. Caprivis Kanzlerzeit war durch entschiedene Englandfreundlichkeit geprägt. Er war in der Innenpolitik einer der Hauptverantwortlichen für den Wandel des Deutschen Reiches von der Agrarwirtschaft zur industriellen Exportwirtschaft. Die in diesem Zeitraum gemachten Reformen erleichterten es, dass Deutschland wenig später Großbritannien überholte und zur Weltwirtschaftsmacht Nr. 1 aufstieg. Das „Made in Germany“ errang zu dieser Zeit den Status einer Garantie für höchste Qualität. Integrationspolitik Die turbulente Vereinigung des alten „Deutschen Bundes“ zu einem „Deutschen Reich“ ohne die deutschen Österreicher - die Kleindeutsche Lösung - brachte einige Probleme mit sich. Die rheinländische, süddeutsche und polnische Opposition gegen die preußische Vorherrschaft stützte sich auf ein sich politisierendes katholisches Bürger-, Arbeiter- und Bauerntum. Als Partei des politischen Katholizismus formierte sich das „Zentrum“. Die Versuche Bismarcks, die katholischen Parteien in ihrer Arbeit zu behindern, führte zu Eingriffen in das Leben der Katholiken. Auch die Judenintegration, die es vorher außer in Preußen nur in wenigen anderen Staaten gab, war jung, und der merkliche soziale Aufstieg der jüdischen Bevölkerung nährte Neid und Antisemitismus in der Bevölkerung. In den östlichen Gebieten Preußens, vor allem in der Provinz Posen, gab es eine starke Unterdrückung der polnischen Minderheit, die zu Unruhen und Gefühlen der Ungerechtigkeit führte. Der Kaiser erkannte die Ernsthaftigkeit dieser Probleme und bezeichnete sie als eine seiner Hauptaufgaben. Am besten gelang die Integrationspolitik mit den Katholiken. Sie waren durch den bismarckschen Kulturkampf benachteiligt und an der Teilnahme am politischen Leben, sowie bei der freien Ausübung ihrer Religion gehindert worden. Schon zu seiner Prinzenzeit war Wilhelm gegen diese Praktiken und befürwortete die Beendigung des Kulturkampfes. Um die Einigkeit zwischen Protestanten und Katholiken im Reich zu verbessern, zahlte das Reich die den Opfern vorenthaltenen Gelder zurück, hob allerdings nicht alle gefassten Beschlüsse und Gesetze dieser Zeit wieder auf. Die östlichen Provinzen Preußens (Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien) waren bis zur Vertreibung nach 1945 mehrheitlich von Deutschen bewohnt, minderheitlich von Polen, dazu regional von Kaschuben und Masuren. In der Provinz Posen (Poznan) stellten die Polen die Mehrheit. Seit der Bismarckzeit versuchte der Staat, die hier lebenden Polen zu germanisieren, was allerdings scheiterte und in offenen Protest mündete. Kaiser Wilhelm II. hob viele dieser Repressionen, die vor allem die Sprache des Unterrichts und später auch des Gottesdienstes regelten, auf und erkannte die Polen als eigenes Volk und Minderheit im Deutschen Reich an. Eine der umstrittensten Bereiche in der Einordnung der politischen Meinung des Kaisers ist seine Beziehung zum Judentum bzw. zum Antisemitismus. Die Historiker gehen hier in den Meinungen weit auseinander, je nachdem welche Quellen sie benutzen. Bei den Reichstagswahlen 1880 zogen zum ersten Mal mehrere antisemitische Parteien in den Reichstag ein. Mit fünf Abgeordneten bildeten sie die „Fraktion der Antisemiten“. Grund für den gestärkten Antisemitismus waren wohl die „Gründerkrise“ und die als relativ stark empfundenen wirtschaftlichen Erfolge jüdischer Unternehmer. Die Juden waren im 1871 gegründeten Deutschen Reich zum ersten Mal freie und gleiche Bürger: Die Einschränkungen, die sie, von Land zu Land unterschiedlich, teilweise zu Schutzbefohlenen eines Herrschers machten und ihnen wirtschaftliche Beschränkungen auferlegten oder ihnen bestimmte Berufsverbote erteilten, waren aufgehoben. Auch der Dienst beim Militär, in Schulen oder der Justiz stand ihnen jetzt offen. Als Reaktion auf den Antisemitismus entstanden gesellschaftliche Gruppen, die letzterem entgegenzuwirken versuchten. So bildeten besorgte Christen den Verein zur Abwehr des Antisemitismus, dem neben Heinrich Mann auch der Historiker Theodor Mommsen beitrat. Im Judentum entwickelten sich neben dem orthodoxen Glauben mehrere Strömungen, teilweise auch mit politischem Hintergrund. So gab es erstens die assimilierten Juden, die sich taufen ließen und das Christentum als Erfüllung des jüdischen Messias-Glaubens akzeptierten. Der jüdische so genannte Reform-Glaube (Reformjudentum) lehnte diese Art ab, passte sich aber in seiner Wesensart fast völlig den deutsch-christlichen Traditionen an. Er hielt Gottesdienst am Sonntag, nicht am Sabbat (Samstag), mit deutscher, nicht hebräischer Liturgie, hielt kürzere Gebete mit Orgeluntermalung und verzichtete auf traditionelle Gebetsbekleidung. Kaiser Wilhelm unterstützte diese Art der Religionsausübung sehr und finanzierte den Bau der Reform-Synagoge in der Berliner Fasanenstraße mit, an deren Einweihung er demonstrativ teilnahm. Eine dritte aufstrebende Richtung war der Zionismus, der die Gründung eines eigenen Judenstaates vorsah. Aus Angst, den Antisemitismus zu bestärken, lehnten die Reformgläubigen auch diese, sehr radikale, ursprüngliche Form des Glaubens ab und strich jegliche Passagen über das gelobte Land aus dem Gottesdienst. Der Kaiser unternahm eine Palästinareise mit Theodor Herzl, dem Begründer des modernen Zionismus in Europa. Auf dieser Reise stiftete er in Jerusalem die Erlöserkirche auf dem Muristangelände. Als Erinnerung an diese Expedition wurde dem Kaiser in Haifa 1982 ein Denkmal gesetzt. Bei seiner Integrationspolitik kam Kaiser Wilhelm II. der Parlamentarismus im Reich entgegen. Anders als heute gab es keine Fünf-Prozent-Hürde, welche das Entsenden von Abgeordneten aus kleineren Parteien verhinderte. So hatten Dänen (1-2 Abgeordnete), Elsass-Lothringer (8-15 Abgeordnete) und Polen (13-20 Abgeordnete) von 1871 bis zur letzten Wahl 1912 stets ihre Fraktion im Reichstag. Juden organisierten sich nicht in einer eigenen Partei. Dies widersprach ihrem Selbstverständnis, deutsche Staatsbürger zu sein, welches durch lange Tradition besonders in Preußen sehr stark ausgeprägt war. Das Wahlsystem grenzte aber auch politische Minderheiten nicht aus. Dies sorgte dafür, dass sich auch die reichsfeindlichen Welfen, aber vor allem die Antisemiten aus der Christlichsozialen Partei und der Deutschen Reformpartei organisieren konnten. Die Zahl ihrer Abgeordneten überschritt aber nie die Zahl der Abgeordneten aus den Parteien der ethnischen Minderheiten. Trotz dieser Unterstützung gibt es von Wilhelm II. mehrere Zitate, die einen antisemitischen Klang haben, so: „Ich denke gar nicht daran wegen der paar hundert Juden und der tausend Arbeiter den Thron zu verlassen!“ Ob er allerdings auf die Juden als Kollektiv schimpfte oder einzelne meinte, z.B. die ihn oft kritisch betrachtenden jüdisch geleiteten Zeitungskonzerne, ist unklar. Die Verurteilung der Juden als Volk ist aber unwahrscheinlich, da er in seinem Freundeskreis nie Unterschiede zwischen Deutschen jüdischer oder christlicher Abstammung machte. Der von Antisemiten geprägte und heute noch verwendete Begriff „Kaiserjuden“ verriet allerdings große Missbilligung von Teilen der Bevölkerung an diesen Kontakten. Wirtschaftspolitik und rüstungspolitische Prioritäten Caprivi setzte einen weiteren von Bismarck verwehrten Wunsch Wilhelms II. durch, die progressive Einkommenssteuer, die höhere Einkommen stärker belastete: die Miquelsche Einkommensteuerreform von 1891. Durch die industriefreundliche und exportorientierte Eindämmung des Protektionismus zog sich Caprivi die Feindschaft der im Bund der Landwirte organisierten Grundbesitzer („Ostelbier“, „Junker“) zu, der sehr eng mit der Konservativen Partei verwoben war. Die nach Abschaffung der Schutzzölle wachsenden Agrarexporte der USA bewirkten für sie einen Preisverfall. Durch die Förderung des Einsatzes von Agrarmaschinen konnte man die Verluste zwar teilweise auffangen, erhöhte aber die agrarprotektionistischen Ansprüche der ohnehin unterkapitalisierten und zu Investitionen genötigten Großgrundbesitzer. 1893 löste Wilhelm II. den 1890er Reichstag auf, jetzt, weil der die auch von ihm gewollte Aufrüstung des Heeres abgelehnt hatte. Im darauf folgenden Wahlkampf siegten die Befürworter der wilhelminischen Politik aus der Konservativen und Nationalliberalen Partei. Auch die von Alfred von Tirpitz propagierte Aufrüstung der Kaiserlichen Marine, im Volk populär (vgl. Matrosenanzug), wurde in der Folgezeit von Wilhelm gefördert (1895 Vollendung des heutigen Nord-Ostseekanals, Ausbau der Marinehäfen Kiel und Wilhelmshaven). In diesem Zusammenhang besetzte und pachtete das Deutsche Reich die chinesische Hafenstadt Tsingtao auf 99 Jahre. Wilhelm erkannte trotz seiner Englandfreundlichkeit nicht, dass damit die weltweite Hegemonialmacht Großbritannien aufs Äußerste beunruhigt wurde. Der anhaltende deutsche Kolonialismus – gegen den Bismarck sich noch gewehrt hatte – wurde von ihm nicht als riskant gegenüber den Großmächten England, Frankreich und Japan erkannt und eher gebilligt: 1899 erwarb das Reich die Karolinen, Marianen, Palau und Westsamoa. Wende in den Reichskanzlerberufungen und außenpolitische Dauerprobleme 1894 wurde Caprivi entlassen. Wilhelm berief erstmals einen Nichtpreußen, den Bayern Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der weder Führungsehrgeiz entwickeln sollte noch entwickelte: 1896 versäumte er, Wilhelm von der Krüger-Depesche abzuhalten, einem Glückwunschtelegramm an die Buren zur Abwehr des britisch inspirierten Jameson Raid, die in Großbritannien mit Empörung aufgenommen und nachhaltig als Abkehr von der englandfreundlichen Politik Caprivis gedeutet wurde. 1900 ersetzte er Hohenlohe durch Graf Bernhard von Bülow, der als Reichskanzler weder die anstehenden innenpolitischen Reformen betrieb noch die sich umgruppierenden außenpolitischen Konstellationen (in Deutschland als Einkreisungspolitik verstanden) zu meistern vermochte. Das Verhältnis zu Frankreich wurde nicht verbessert, England nun auch durch die Flottenpolitik herausgefordert und Russland auf dem Balkan nicht gegen Österreich-Ungarn unterstützt (vgl. dagegen den Rückversicherungsvertrag der Bismarck-Epoche). Wilhelm hatte allerdings bis zur Daily-Telegraph-Affäre und den Eulenburg-Prozessen Vertrauen in Bülow, der sich ihm zudem durch Schmeichelei unentbehrlich machte. Friedenspolitisch ergriff Wilhelm II. erst 1905 eine Initiative: Zwecks Wiederannäherung an Russland, das gerade seinen Krieg gegen Japan zu verlieren drohte, schloss er mit Nikolaus II. den Freundschaftsvertrag von Björkö. Frankreich sollte einbezogen werden. Leider wurde aber der deutsch-russische Freundschaftsvertrag schon 1907 von Russland für gegenstandslos erklärt, weil er mit der französisch-russischen Annäherung, die inzwischen stattgefunden hatte, nicht verträglich sei. Diese Annäherung hatte sich ergeben, nachdem Wilhelm II. 1906 in der Ersten Marokkokrise durch seinen Besuch in Tanger Frankreich stark provoziert hatte. Resultat war überdies eine Verschlechterung der Beziehungen zu Japan, das bisher Preußen/Deutschland als wissenschaftlichen und militärischen Lehrmeister angesehen hatte. 1908 wurde Wilhelms Hilflosigkeit durch die Daily-Telegraph-Affäre deutlich: Er beschwerte sich in einem Interview der Zeitung über seine eigene Regierung: sie sei nicht englandfreundlich genug. Bismarck war ein Meister darin gewesen, seine Politik medial zu flankieren (vgl. die Emser Depesche 1870). Bei Wilhelm II. dagegen sollte das Interview und markige Reden die Politik ersetzen. Ein besonders eklatantes Beispiel gab der Kaiser mit der bereits am 27. Juli 1900 in Bremerhaven gehaltenen Hunnenrede. Mit dem Daily Telegraph-Interview fiel er nunmehr der Reichspolitik in den Rücken, knickte angesichts des deutschen Pressesturms ein und versprach, sich künftig zurückzuhalten. Inzwischen begann die Öffentliche Meinung überhaupt, den Kaiser kritisch zu sehen, und eine Kampagne schadete ihm konkret: Schon 1906 hatte der Journalist Maximilian Harden in seiner Zeitschrift Die Zukunft die Kamarilla um den Kaiser und damit das persönliche Regiment des Kaisers angegriffen. Zu besonders harten Auseinandersetzungen führte seine Enthüllung, dass Philipp von Eulenburg und Hertefeld, ein enger Freund und Berater des Kaisers, homosexuell sei und einen Meineid geleistet habe. Es folgten drei Sensationsprozesse gegen Eulenburg, die trotz „freisprechenden“ Urteils das Ansehen des Kaisers beschädigten. 1909 zerbrach der so genannte Bülowblock, in dem sich die regierungsunterstützenden linksliberalen Parteien, sowie die Nationalliberale und die Konservative Partei zusammengeschlossen hatten. Auslöser war der Versuch Bülows, das preußische Wahlrecht zu reformieren, worauf ihm die im Preußischen Landtag dominierenden Konservativen die Gefolgschaft verweigerten. Sozialdemokraten und Zentrum, die diesen Versuch in seinen Grundsätzen unterstützen, verweigerten trotzdem die Zusammenarbeit mit Bülow. Sie warfen ihm Prinzipienlosigkeit vor, da er erst kurz zuvor in Zusammenarbeit mit den Konservativen neue Repressalien gegen die Polen durchgesetzt hatte. Die Germanisierungspolitik wurde auf Betreiben Kaiser Wilhelms II. beendet. Dass Bülow nun aber, um sich die Loyalität der Konservativen Partei zusichern, die Enteignung von polnischen Gütern erleichterte, ignorierte der Kaiser zunächst, um die stabile Parlamentsmehrheit nicht zu gefährden. Daraufhin entließ er ihn jedoch und ernannte Theobald von Bethmann Hollweg zum Reichskanzler. Er überließ ihm die Außenpolitik, die aber ihre Ziele - Wiederannäherung an England und Distanzierung von der antirussischen Balkanpolitik Österreich-Ungarns - nicht erreichte. Die antifranzösische Politik wurde 1911 in der zweiten Marokkokrise durch deutschen Interventionismus verschärft (der „Panthersprung nach Agadir“), Heer und Flotte wurden weiter verstärkt. Markante Eingriffe Wilhelms unterblieben. Der Kaiser war zwar Militarist, aber kein Bellizist, er wollte trotz seiner kriegerischen Reden im Grunde keinen Krieg. Er tat aber auch zu wenig, um dies deutlich zu machen. Insgesamt ist Wilhelms II. Anteil an der deutschen Außenpolitik umstritten. Während John C. G. Röhl in ihm eine wirkungsmächtige Instanz hervorhebt, die in die Politik des Reiches eigenständig eingriff, sieht die Mehrzahl der Historiker wie Wolfgang Mommsen die zivile Reichsleitung im Zentrum der Verantwortung. Unbestreitbar ist, dass der Kaiser nicht als Koordinator zwischen Außen-, Heeres- und Flottenpolitik wirkte. So kam es, dass Reichskanzler, Heeres- und Marineleitung je unterschiedliche Ziele verfolgten, die miteinander nicht verträglich waren: Vor allem der Aufbau der Flotte schuf ein außenpolitisches Problem. Erster Weltkrieg 1914 in der Julikrise spielte Wilhelm II. eine ambivalente Rolle. Er wollte den Frieden retten und auf der Monarchenebene versuchte er sein Bestes, einen fieberhaften Briefwechsel mit dem russischen Kaiser (Lieber Nicky! – Lieber Willy!), der bei der nunmehr objektiven Kriegsentschlossenheit sämtlicher Kontinental-Großmächte gar nichts bewirkte. Objektiv jedoch steigerte der Kaiser die Kriegsgefahr: Denn er ermächtigte Bethmann Hollweg nach dem Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914, Österreich-Ungarn eine Blankovollmacht für dessen aggressive Politik gegen Serbien zu erteilen. Faktisch wurde nach der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Serbien die Außenpolitik von Kaiser und Kanzler dem deutschen Generalstab überlassen: Die Mobilmachung im Russischen Reich erlaubte es nach dessen Urteil dem Deutschen Reich nicht, mit der Kriegserklärung an Russland und Frankreich länger zu warten, da sonst der deutsche Schlieffenplan, bei einem Zweifrontenkrieg erst schnell Frankreich, dann Russland zu schlagen, undurchführbar zu werden drohte. Wilhelm mischte sich in der Folge nicht in militärische Zielsetzungen ein, überließ diese aber nicht verfassungsgemäß dem Reichskabinett, sondern der Obersten Heeresleitung. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges 1914–1918 wurde die Bedeutung des Kaisers immer geringer. Besonders mit der 3. Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und dem dominierenden Ludendorff wurde er 1916–1918 zunehmend von den politisch-militärischen Entscheidungen ausgeschlossen. Jedoch schob die Heeresleitung ihm 1917 die auch im Reich umstrittene Entscheidung über den „uneingeschränkten“ U-Boot-Krieg zu. Er schloss sich – gegen den Rat seines Reichskanzlers – der Meinung der Militärs an und willigte ein, was dann zur Kriegserklärung der USA führte. Diese machten später die Abdankung des Kaisers zur Bedingung für die Eröffnung von Friedensverhandlungen. Ab 1917 hatte Ludendorff eine faktisch diktatorische Position. Auf weitere Reichskanzlerwechsel nahm Wilhelm II. keinen Einfluss, die 1918er Reform der Reichverfassung in Richtung auf eine parlamentarische Monarchie wurde ohne ihn versucht. Durch den Hungerwinter 1917/18 und das völlige Desaster der Kriegsführung, spätestens nach der gescheiterten Frühjahrsoffensive im Westen 1918, war Wilhelm II. im Reich unhaltbar geworden. Dazu kam die Tatsache, dass der Bevölkerung längst bewusst war, dass ein Friedensschluss unter leidlichen Bedingungen („Selbstbestimmungsrecht der Völker") nur noch von der Abdankung ihres Kaisers abhing, da die USA sich weigerten, Friedensverhandlungen vorher zu beginnen. Am 9. November 1918 gab Reichskanzler Prinz Max von Baden (1867–1929) eigenmächtig und ohne Wilhelms II. Einwilligung dessen (!) Abdankung bekannt. Damit war in Deutschland die Monarchie überall am Ende. Der noch im selben Monat vom Kaiser selbst ausgesprochene Rücktritt (s.u.) war angesichts der Situation zwangsläufig (s. Novemberrevolution). Die Folgen konnte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen: Der Sturz der Monarchie ebnete nach Ansicht des späteren britischen Premierministers Sir Winston Churchill den Weg in die Diktatur Adolf Hitlers. Am 10. November 1918 fuhr der Kaiser aus seinem Hauptquartier in Spa in die Niederlande und erbat (und erhielt) dort Asyl. Besonders enttäuscht war er von Hindenburg, der ihn fallen ließ, des Weiteren wetterte er gegen „das Judengesindel“ (O-Ton Wilhelm). Er dankte offiziell am 28. November 1918 ab, 19 Tage nach Ausrufung der Republik, gab aber nie den Wunsch auf, wieder auf den Thron zurückzukehren. Text der Abdankungsurkunde: Ich verzichte hierdurch für alle Zukunft auf die Rechte an der Krone Preussen und die damit verbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone. Zugleich entbinde ich alle Beamten des Deutschen Reiches und Preussens sowie alle Offiziere, Unteroffiziere und Mann- schaften der Marine, des Preussischen Heeres und der Truppen der Bundeskontingente des Treueides, den sie Mir als ihrem Kaiser, König und Obersten Befehlshaber geleistet haben. Ich erwarte von ihnen, dass sie bis zur Neuordnung des Deutschen Reichs den Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das Deutsche Volk gegen die drohenden Gefahren der Anarchie, der Hungersnot und der Fremdherrschaft zu schützen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unter- schrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Amerongen, den 28. November 1918 Wilhelm Zeit nach der Abdankung Exil Bis 1920 lebte Wilhelm II. in Amerongen, danach bis zu seinem Tod in dem von ihm erworbenen Haus Doorn in den Niederlanden im Exil. 1921 starb seine Frau. 1922 heiratete er die verwitwete Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath, geborene Prinzessin Reuß ä.L. (1887-1947) („Kaiserin“ in seiner Titulatur, amtlich „Prinzessin von Preußen“). Er versammelte Gelehrte zu kulturhistorischen Studien um sich (Doorner Arbeitskreis), verfasste seine Memoiren und weitere Bücher und hielt sich für die Wiederherstellung der Monarchie bereit. Unter anderem durch den Hitlerputsch 1923 sah er sich darin bestätigt, dass nur ein Monarch Ruhe und Ordnung garantieren könne. Immer wieder äußerte er sich antisemitisch, „Presse, Juden und Mücken“ solle man den Garaus machen, „am besten mit Gas“. 1933 näherte er sich – auch bestärkt durch seine Frau, die im Reich umherreiste – den Nationalsozialisten an, von denen er sich die Restauration des Kaiserreichs versprach, was sich trotz zweimaligen Besuchs Görings in Doorn bald als unrealistisch erwies. Hitler hielt ihn hin. Als er im November 1938 von dem antijüdischen Pogrom, der „Kristallnacht“, erfuhr, äußerte er sich entsetzt und hielt es für eine Schande. Bei Besetzung der Niederlande 1940 ließ Hitler das Anwesen durch die Geheime Feldpolizei abriegeln. Zum deutschen Sieg über Frankreich im Mai erhielt Adolf Hitler ein angeblich von Wilhelm II. abgesandtes Glückwunschtelegramm. Darin wurde zwar nicht dem „Führer“ Hitler, aber dem Reichskanzler, und vor allem zum „Sieg der deutschen Waffen“ gratuliert. Ob es von Wilhelm II. stammte, wird stark bestritten, sein damaliger Hausminister Wilhelm von Dommes dürfte der Urheber dieses Telegramms gewesen sein. Tod Wilhelm II. starb am Morgen des 4. Juni 1941 im Haus Doorn. Seine letzten Worte sind zweifelhaft überliefert: „Ich versinke, ich versinke...“. Trauerfeiern im Reich wurden verboten. Die NS-Machthaber erlaubten nur einer kleinen Zahl von Personen (dem engeren Familienkreis, einigen ehemaligen Offizieren) die Fahrt in die besetzten Niederlande zur Teilnahme an der Beisetzung. Der Kaiser wurde zunächst in einer Kapelle nahe dem Doorner Torhaus beigesetzt. Sodann wurde sein Sarg in das nach seinen Zeichnungen posthum erbaute Mausoleum im Park von Haus Doorn überführt. Sein selbst gewählter Grabspruch lautet: „Lobet mich nicht, denn ich bedarf keines Lobes; rühmet mich nicht, denn ich bedarf keines Ruhmes; richtet mich nicht, denn ich werde gerichtet.“ Beide Gattinnen ruhen im Antikentempel am Neuen Palais in Potsdam. Wilhelm II. als Persönlichkeit Auf Grund von Komplikationen bei seiner Geburt war Wilhelms II. linker Arm um 15 cm kürzer als der rechte und teilweise gelähmt, mit daraus resultierenden Gleichgewichtsstörungen und Haltungsschäden sowie häufigen Schmerzen im linken Ohr. Eine besondere elterliche Zuwendung erfuhr er nicht und dankte es mit einem bleibenden Ressentiment besonders gegen seine Mutter, die ihn selbst wiederum, wie in ihren Briefen deutlich zu lesen, hasste. Schmerzvoll waren die Versuche der Familie, seiner Behinderung entgegen zu wirken. Denn der zukünftige König von Preußen sollte ein „ganzer Mann“ und kein Krüppel sein. So musste er sich als Kleinkind z.B. schmerzhaften Elektroschocktherapien unterziehen. Auch wurde erfolglos versucht, seinen verkümmerten Arm zu strecken. Das beruflich oft erforderliche Reiten fiel ihm daher schwer. Diese unbehebbare Behinderung prägte ihn sehr. Er war gehalten, sie stets als einen Makel zu verbergen. Das Tragen von Uniformen und das Abstützen der linken Hand auf der Waffe war ein Ausweg. Die Behinderung machte ihn vermutlich zu einem Menschen mit Selbstzweifeln und geringem Selbstbewusstsein und einer darauf beruhenden Ichverfangenheit, leichten Kränkbarkeit und ihr zufolge Sprunghaftigkeit. Später dürfte diese auch seine sprichwörtliche Reiselust begünstigt haben. Ob mögliche Neurosen eine ernsthafte seelische Erkrankung unterstellen lassen müssten, ist durchaus strittig. Ob auch eine Anlage zu einer Geisteskrankheit vorlag, noch mehr. Ein schwermütiger Zug wird ihm mitunter attestiert. Der noch heute berühmte Psychiater Emil Kraepelin bezeichnete sogar – auf Grund ferndiagnostisch zugänglicher öffentlicher Quellen – Wilhelms Gemüt als einen „typischen Fall periodischen Gestörtseins“, ein freilich bestrittenes Urteil in Richtung auf eine manisch-depressive Disposition. Anhaltende Schwierigkeiten waren Wilhelm II. verhasst, deswegen ließ er auch bewährte Freunde und Parteigänger schnell im Stich, so dass eher diplomatisierende Charaktere, wie Bülow und viele Höflinge, seinen Umgang ausmachten und seine Personalauswahl bestimmten. Offiziere, unter denen er sich wohlfühlte, erweiterten sein Urteil wenig, denn sie hatten im Zweifel die politischen Vorurteile ihrer kastenartig abgeschlossenen Berufsgruppe, und auch ihr Stil des Schwadronierens färbte auf ihn ab. Von seiner Persönlichkeit her gesehen behinderten narzisstische Züge seine Einfühlungsgabe und sein Urteil über Andere, wie z.B. über Nikolaus II. von Russland. Seine Taktlosigkeiten waren bekannt. Sie fielen seiner Mitwelt besonders bei seinem Regierungsantritt und bei Bismarcks Entlassung ins Auge, die dieser in seinen Gedanken und Erinnerungen rachsüchtig ausbreitete. Eine diese Handikaps ausbalancierende Welt- und Menschenkenntnis zu erwerben, hatte sein Werdegang ihm nicht erlaubt. Trotz der Wesensunterschiede zu seinem altpreußisch-schlichten und im Persönlichen bemerkenswert loyalen Großvater Wilhelm I. versuchte Wilhelm II. immer, dessen Regierungsmuster zu folgen. Man kann sein anfängliches Verhältnis zu Caprivi dergestalt deuten, dass er hier ‚seinen eigenen Bismarck‘ gefunden zu haben hoffte. Zum militärischen Oberbefehlshaber ernannte er den Neffen des berühmten Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke („Ich will auch einen Moltke.“), der dann aber aus dem Schatten Alfred von Schlieffens nicht heraus zu treten vermochte. Allerdings wurde die Zurückhaltung seines Großvaters bei direkten politischen Eingriffen keineswegs bleibendes Merkmal des Enkels; wiederholt griff Wilhelm II. durch Personalentscheidungen und Befehle für Gesetzesvorlagen direkt in die Politik ein. Gar nicht folgte er der öffentlichen Zurückhaltung des alten Kaisers: Selbstdarstellungseifer drängte Wilhelm II. oft repräsentativ in die Öffentlichkeit, wobei eine nicht unbeachtliche Rednergabe ihm Echo einbrachte, aber auch zu politisch bedenklichen Formulierungen verlockte. Auch begünstigte dieser Übereifer sein Verhältnis zu den Massenmedien. Man kann ihn als ersten Medienmonarchen des 20. Jahrhunderts ansehen. Seine Schaustellungen von Uniformen und Orden stimmten im Übrigen zum Protzstil des später nach ihm benannten Wilhelminismus. Die Künste standen ihm fern, die Literatur lag ihm nicht am Herzen. Eigene Interessen entwickelte er für die Archäologie, seine Korfu-Aufenthalte sind auch davon bestimmt. Außerdem oblag er, wie in Adelskreisen nicht unüblich, begeistert der Jagd, seine Trophäenzahl erfreute ihn (er erlegte rd. 46.000 Tiere); im Exil fällte er gerne Bäume. Bei der Jagd lernte Wilhelm auch seinen später engen Freund Philipp Graf zu Eulenburg kennen, der besonders in den Jahren 1890 bis 1898 zu seinen wichtigsten Beratern zählte. Desengagement, wenn die Dinge anders liefen, als er wollte, blieb sein Wesenszug. Noch 1918, angesichts der revolutionären Verhältnisse im Reich, emigrierte er sang- und klanglos ins neutrale Ausland. Seine in Holland verfasste Autobiografie mit ihren Rechtfertigungen oder Themenvermeidungen ist ein gutes Zeugnis seiner Urteilsschwächen. Das Bild Wilhelms II. in der Öffentlichkeit Wilhelm II. war zunächst sehr populär. Die weniger geschätzten Züge einer Reichseinigung „von oben“ mit Bewahrung alter Machtstrukturen fand in der Kaiserverehrung einen willkommenen Ausgleich. Die weithin monarchistisch gesonnene Presse nahm dies auf, man fand für ihn die Bezeichnungen „Arbeiterkaiser“ und „Friedenskaiser“ (dies geht u. a. auf den Vorschlag von Emanuel Nobel von 1912 zurück, Kaiser Wilhelm II. den von Alfred Nobel gestifteten Friedensnobelpreis zuzusprechen, damals hatte das Deutsche Reich unter seinem Kaisertum 24 Jahre Frieden gehalten). Doch wurde er auch als bedrohlich empfunden (vgl. Ludwig Quiddes als Kritik an Wilhelm II. aufgefasste und vielrezipierte 1894er Studie Caligula zum "Cäsarenwahnsinn“). Zunehmend mischte sich dann Spott hinein: „Der erste war der greise Kaiser, der zweite war der weise Kaiser, der dritte ist der Reisekaiser.“ Auch in der Bezeichnung „Redekaiser“ steckte Kritik. Seine vielerlei Uniformen wurden bewitzelt: „Majestät, im Badezimmer ist ein Rohr geplatzt.“ – „Bringen Sie die Admiralsunifom.“ („Simplicissimus“) Von den ihn kritisierenden Demokraten, Sozialisten, Katholiken, auch den kritischen Minderheiten (von 1864 her die Dänen, seit 1866 die Hannoveraner, seit 1871 die Elsass-Lothringer, dauerhaft die Polen) wurde ihm zunächst das die öffentliche Meinung beherrschende Bürgertum am gefährlichsten. Bei den Schriftstellern war er nicht angesehen, der ironische Thomas Mann war in seinem Roman Königliche Hoheit noch am mildesten mit einem behinderten und etwas einfältigen Dynasten umgegangen. Direkte Kritik verbot der Paragraph zur „Majestätsbeleidigung“ im Strafgesetzbuch, aber die Witze über ihn wurden immer beißender. Man vergleiche nur das viel positivere Kaiserbild von Franz Joseph in Österreich-Ungarn, der doch viel stärkere innen- und außenpolitische Probleme hatte. Nach 1918 und seiner Flucht ins Exil überwog die Verachtung, man warf ihm Feigheit vor: Warum ist er nicht an der Spitze seines Heeres kämpfend gefallen? Monarchisten erhofften 1933 mit Hitlers Machtantritt seine Rückkehr. Da Hitler nichts dergleichen im Sinne hatte, wurde Wilhelm II. in seinen letzten zehn Lebensjahren immer stärker vergessen, sein Tod blieb überwiegend unbetrauert. Sein öffentliches Ansehen hat sich seither kaum erholt. Außerhalb Deutschlands war sein Ansehen eher schlechter als in Deutschland. Während des Ersten Weltkrieges war Wilhelm II. oft die symbolische Zielfigur der feindlichen Propaganda. Familie Stammbaum Söhne und Töchter Friedrich Wilhelm Victor August Ernst (1882-1951) ∞ 1905 Herzogin Cecilie zu Mecklenburg-Schwerin (1886-1954) Wilhelm Eitel Friedrich Christian Karl (1883–1942) ∞ 1906-1926 Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg (1879-1964) Adalbert Ferdinand Berengar (1884–1948) ∞ 1914 Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen (1891-1971) August Wilhelm (1887–1949) ∞ 1908-1920 Prinzessin Alexandra von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1887-1957) Oskar Karl Gustav Adolf (1888–1958) ∞ 1914 Gräfin Ina Maria von Bassewitz (1888-1973) Joachim Franz Humbert (1890–1920, Selbstmord) ∞ 1916 Prinzessin Marie Auguste von Anhalt (1898-1983) Victoria Luise Adelheid Mathilde Charlotte (1892–1980) ∞ 1913 Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1887-1953) Titel und Ränge Titular Akademische Titel (alphabetisch nach Hochschulen) Dr. iur. utr. h.c. der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Dr.-Ing. E.h. der Polytechnischen Hochschule in Berlin Ehrendoktor der Wissenschaften der Universität Klausenburg Dr. of Civil Law der Universität Oxford Ehrendoktor der Rechte der Universität von Pennsylvania Ehrendoktor der Medizin der Karls-Universität Prag Militärische Laufbahn 27. Januar 1869: Leutnant im 1. Garderegiment zu Fuß und à la suite des 1. Batl. (Berlin) des 2. Garde-Landwehr-Regiments. 22. März 1876: Oberleutnant 22. März 1880: Hauptmann 16. Oktober 1881: Major 16. September 1885: Oberst und Kommandeur des Garde-Husaren-Regiments 27. Januar 1888: Generalmajor und Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade 15. Juni 1888: Oberster Kriegsherr des deutschen Heeres und Chef der Marine, Chef des 1. Garde-Regiments zu Fuß, des Regiments der Garde du Corps, des Leib-Garde-Husaren-Regiments 13. September 1889: Chef des Königs-Ulanen-Regiment (1. hannoversches) Nr. 13 Chefstellen und andere Ehrenränge Hier geht es um den Rang des Chefs (in Bayern: Inhaber) von Truppenteilen, dessen Namen diese dann auch oftmals trugen (das militärische Kommando liegt nicht beim „Chef“, sondern bei dem jeweiligen „Kommandeur“). Die Generals- und Admirals-Titel sind ebenfalls als Ehrenränge zu verstehen. Deutschland Chef des 1.Garde-Regiments zu Fuß Regiments der Gardes du Corps Leib-Garde-Husaren-Regiments Königs-Ulanen-Regiments (1. Hannoversches) Nr. 13 Königs-Infanterie-Regiments (6. Lothringisches) Nr. 145 Grenadier-Regiments König Friedrich Wilhelm I. (2. Ostpreußisches) Nr. 3 Regiments Königs-Jäger zu Pferde Nr. 1 Leib-Kürassier-Regiments Großer Kurfürst (Schlesisches) Nr. 1 1. Leib-Husaren-Regiments Nr. 1 2. Leib-Husaren-Regiments Königin Viktoria von Preußen Nr. 2 Leib-Grenadier-Regiments Friedrich Wilhelm III. (1. Brandenburgisches) Nr. 8 2. Badischen Grenadier-Regiments Kaiser Wilhelm I. Nr. 110 Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm (2. Großherzoglich Hessisches) Nr. 116 Königlich Sächsischen 2. Grenadier-Regiments Kaiser Wilhelm Nr. 101 Königlich Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 120 Königlich Württembergischen Dragoner-Regiments Königin Olga (1. Württembergisches) Nr. 25 Inhaber des 1. Königlich Bayerisches Ulanen-Regiment „Kaiser Wilhelm II., König von Preußen“ Königlich Bayerischen 6. Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm, König von Preußen Ausland Inhaber des K.u.k. Infanterie-Regiments Nr. 34 (Österreich-Ungarn) K.u.k. Husaren-Regiments Nr. 7 (Österreich-Ungarn) Chef des Kaiserlich Russischen St. Petersburger Leib-Garde-Grenadier-Regiments 'König Friedrich Wilhelm III.' 85. Infanterie-Regiments „Wyborg“, (Russland) 13. Husaren-Regiments „Narva“ (Russland) Königlich Großbritannischen 1. Dragoner-Regiments Ehrenoberst des Königlich Portugiesischen 4. Reiter-Regiments Königlich Spanischen Dragoner-Regiments „Numancia“ Kaiserlich Osmanischer Feldmarschall Feldmarschall der Kaiserlich-Königlichen Armee Österreich-Ungarns Königlich Großbritannischer Feldmarschall Königlich Großbritannischer Ehrenadmiral der Flotte Königlich schwedischer Flaggenadmiral Königlich norwegischer Ehrenadmiral Königlich dänischer Ehrenadmiral Admiral der Kaiserlich russischen Flotte Ehrenadmiral der Kgl. griechischen Flotte Sonstige (nichtmilitärische) Ränge und Orden Auswahl Neuntes Oberhaupt und neunter Souverän und Meister des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler Protektor des Johanniterordens Ritter des Hosenbandordens (Vereinigtes Königreich) Ritter des St.Andreasordens (Russland) Ritter des Annunciaten-Ordens (Italien) Ritter des Elefanten-Ordens (Dänemark) Ritter des St.-Hubertus-Ordens Ritter des Seraphinenordens (Schweden) Ritter des Löwen-Ordens (Norwegen) Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies (Spanien) Ehrenbailli und Großkreuz des Souveränen Malteserordens Die Königlich Preußische Armee (preußische Armee) war die Armee des preußischen Staates von 1701 bis 1919. Sie ging aus dem seit 1644 existierenden stehenden Heer Brandenburg-Preußens hervor. 1871 ging sie ins Deutsche Heer ein und wurde 1919 als Folge der Niederlage des Deutschen Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg aufgelöst. Die militärische Stärke dieser Armee war Voraussetzung für die Entwicklung Brandenburg-Preußens zu einer der fünf europäischen Großmächte des 18. und 19. Jahrhunderts. Ihre Niederlage zu Beginn der Napoleonischen Kriege 1806 stellte eine Zäsur in ihrer Geschichte dar. Sie leitete eine grundlegende Modernisierung unter Führung von Gerhard von Scharnhorst ein, die die Armee völlig veränderte. Historiker sprechen deshalb von der altpreußischen Armee (1644–1807) und der neupreußischen Armee (1807–1919). Nach der Reform nahm die preußische Armee zwischen 1813 und 1815 an den Befreiungskriegen teil und leistete einen entscheidenden Anteil zur Befreiung der deutschen Staaten von der französischen Fremdherrschaft. Während der Zeit vom Wiener Kongress bis zu den deutschen Einigungskriegen wurde die preußische Armee zum Instrument der Restauration und trug wesentlich zum Scheitern der nationalstaatlich-bürgerlichen Revolution von 1848 bei. Die militärischen Erfolge der preußischen Armee in den Einigungskriegen waren entscheidend für den Sieg der verbündeten deutschen Truppen über Frankreich. Im Kaiserreich bildete sie den Kern des deutschen Heeres. Die Verfassung von 1871 sah vor, dass zu Kriegszeiten die preußischen Armeeverbände in die Verbände des deutschen Heeres integriert werden. Im Ersten Weltkrieg war die preußische Armee damit rechtlich nicht selbstständig. Nach Kriegsende musste Deutschland entsprechend den Vorschriften des Versailler Vertrags seine Landstreitkräfte auf 100.000 Mann verkleinern. Die bestehenden Länderarmeen Preußens, Bayerns, Sachsens und Württembergs wurden aufgelöst. Eines der auffälligsten Merkmale der preußischen Armee, das ihr Bild bis in die Gegenwart bestimmt, war ihre bedeutende gesellschaftliche Rolle. Ihr Einfluss auch im zivilen Teil des Staatswesens prägte Preußen als Inbegriff eines militaristischen Staates. Geschichte Unter dem Großen Kurfürsten (1640–1688) Die Anfänge der preußischen Armee als stehendes Heer liegen in der Regierungszeit des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten (1640 bis 1688). In einer Sitzung des Geheimen Rates am 5. Juni 1644 wurde die Aufstellung einer stehenden Armee beschlossen. Vorher hatte Brandenburg im Kriegsfall ein bezahltes Söldnerheer aufgestellt, das nach Kriegsende wieder aufgelöst wurde. Dieses Verfahren, so zeigte der Verlauf des Dreißigjährigen Krieges, war nicht mehr zeitgemäß. Das Wachstum des Heeres erforderte massive Rekrutenaushebungen in Brandenburg. Die nötigen Rekrutenzahlen konnten nur mit Zwangsmaßnahmen aufgebracht werden. Die für die neue Armee unternommenen Werbungen brachten allein in Kleve 4.000 Mann zusammen. Im Herzogtum Preußen konnten 1.200 reguläre Soldaten und etwa 6.000 Milizen ausgehoben werden. In der Kurmark war die Bilanz aufgrund der dezimierten Bevölkerung weit geringer. Lediglich 2.400 Soldaten konnten ausgehoben werden. Hinzu zu zählen waren noch die 500 Musketiere der Leibgarde des Kurfürsten. Bereits 1646, zwei Jahre nach seiner Gründung, bestand das kurfürstliche Heer aus 14.000 Mann, 8.000 regulären Soldaten und 6.000 bewaffneten Milizen. Friedrich Wilhelm war es auch, der wesentliche Prinzipien der späteren preußischen Armee durchsetzte: 1. Verbindung des Werbesystems mit der Dienstpflicht einheimischer Bauernsöhne, 2. Rekrutierung der Offiziere aus dem einheimischen Adel, 3. Finanzierung des Heeres durch die kurfürstlichen Domäneneinkünfte. Im Zweiten Schwedisch-Polnischen Krieg (1655–1660) erreichte das brandenburgisch-preußische Heer bereits eine Gesamtstärke von rund 25.000 Mann einschließlich Garnisonstruppen und Artillerie. Vom Großen Kurfürsten persönlich geführt, besiegten 8.500 Brandenburger und 9.000 Schweden 40.000 Polen in der Schlacht bei Warschau. In diesem Krieg erlangte Friedrich Wilhelm im Vertrag von Oliva im Jahre 1660 die Souveränität im Herzogtum Preußen. Friedrich Wilhelm und sein Feldmarschall Derfflinger schlugen 1675 die schwedische Armee im Schwedisch-Brandenburgischen Krieg in der Schlacht von Fehrbellin. Anschließend vertrieb die kurfürstliche Armee die Schweden aus Deutschland und später aus Preußen während der „Jagd über das Kurische Haff“ von 1678. Diesen Siegen verdankte Friedrich Wilhelm seinen Beinamen „Der Große Kurfürst“. Während der Regierung Friedrich Wilhelms erreichte die Armee zeitweise eine Friedensstärke von 7.000 und eine Kriegsstärke von 15.000 bis 30.000 Mann. Unter Kurfürst und König Friedrich I. (1688–1713) Bei Beginn des Reichskrieges mit Frankreich 1688 ordnete Kurfürst Friedrich III. erstmals an, dass zum Mannschaftsersatz neben der Werbung durch einzelne Regimenter auch seine lokalen, kurbrandenburgischen Landesbehörden innerhalb des Reichs einen Teil der Rekruten aufzubringen haben. Seither ergänzte sich die Armeemannschaft mehrheitlich durch zwangsrekrutierte „Inländer“ und weniger durch geworbene „Ausländer“. Im Jahr 1701 krönte sich Friedrich III. zum „König in Preußen“. Dies hatte zur Folge, dass seine Armee seitdem „königlich-preussisch“ und nicht länger „kurbrandenburgisch“ hieß. Der Name Preußen ging im Laufe des 18. Jahrhunderts auf den gesamten, inner- und außerhalb des Reichs gelegenen brandenburg-preußischen Staat über. Der Preis, den Preußen für die kaiserliche Anerkennung der Standeserhöhung zu zahlen hatte, war die Teilnahme am Spanischen Erbfolgekrieg. Die preußischen Truppen nahmen unter anderen an den Schlachten von Höchstädt, Ramillies, Turin, Toulon und Malplaquet teil. Während des Spanischen Erbfolgekrieges teilte Friedrich I. seine Truppen an die verschiedenen Kriegsschauplätze auf. 5.000 Mann wurden in die Niederlande geschickt, 8.000 Soldaten nach Italien. Somit standen ungefähr 3/4 der preußischen Truppen im Dienst der Alliierten. Schon zu der Zeit standen die preußischen Truppen im Ruf, die besten Europas zu sein. Die damit verbundene finanzielle Belastung – zusammen mit seinem luxuriösen Lebensstil – zwang den König, die Armee nach Kriegsende zeitweilig auf 22.000 Mann zu reduzieren. Es war die letzte Reduktion der brandenburg-preußischen Armee. 1692 wurde ein Militärgericht gegründet, das die Disziplin der Soldaten heben sollte. Um 1700 wurde in der preußischen Armee begonnen, die Soldaten immer einheitlicher zu kleiden. Eine uniforme Kleidung brachte mehrere Vorteile: Erstens erfüllte die Uniform die Soldaten mit einem gewissen Korpsgeist. Zweitens war es leichter, Freund und Feind zu unterscheiden. Drittens wurde die Einkleidung der Soldaten durch die Massenanfertigung billiger. In der preußischen Armee dominierte als Grundfarbe Blau. Unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1713–1740) Besondere Bedeutung erlangte die Armee seit der Regierungszeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1713 bis 1740). Die Armee genoss Priorität im nunmehrigen Königreich Preußen in einer Weise, dass der Staat ohne die Armee undenkbar wurde. Friedrich Wilhelm I. war es auch, der 1733 das erste gesetzliche Rekrutierungssystem (Kantonreglement) einführte, welches bis 1814 Bestand haben sollte. Ziel war es, die oftmals gewaltsamen Werbungen der Armee zu beenden. Das Kantonreglement erzwang eine Registrierung zum Militärdienst aller männlichen Kinder. Zusätzlich wurde das Land in Kantone unterteilt, denen jeweils ein Regiment zugeteilt wurde, aus dem es die Wehrpflichtigen rekrutierte. Die Dienstzeit eines Kantonisten (Wehrpflichtiger) betrug in der Regel zwei bis drei Monate im Jahr. Den Rest des Jahres konnten die Soldaten zu ihren Höfen zurückkehren. Städtische Bürger waren oft vom Militärdienst befreit, hatten aber für die Soldaten Quartiere bereitzustellen. Die Vergrößerung des Heeres erfolgte schrittweise. 1719 zählte es bereits 54.000, 1729 reichlich 70.000, 1739 über 80.000 Mann (zum Vergleich: im Jahre 1739 hatte Österreich 100.000 Mann, Russland 130.000 Mann, Frankreich 160.000 Mann unter Waffen). Preußen steckte „als Zwerg in der Rüstung eines Riesen“. In der Rangfolge der europäischen Staaten an 13. Stelle stehend, besaß es die dritt- oder viertstärkste Militärmacht. Insgesamt gab Preußen zu dieser Zeit 85 % seiner Staatsausgaben für das Heer aus. Was zur Ebenbürtigkeit mit den Großmachtheeren noch fehlte, wurde durch die Qualität der Ausbildung wettgemacht. Als Lehr- und Mustertruppe diente das Königs-Regiment der Langen Kerls in Potsdam. Dieses Regiment entsprang der Soldatenliebhaberei des „Soldatenkönigs“ die sich zu einer Art wahnsinniger Zwangsvorstellung steigerte. Der König ließ in allen Himmelsrichtungen Europas Werbeoffiziere aussenden, um allen großgewachsenen Männern ab 1,88 Meter habhaft zu werden, die es gab. Diese Leidenschaft des Königs für „lange Kerls“ hatte einen praktischen Sinn, da diese Füsile mit längeren Läufen benutzen konnten. Der Ladestock konnte schneller aus dem Vorderlader gezogen und eingeführt werden. Damit konnten diese genauer und weiter im Gefecht schießen. Ein entscheidender Vorteil gegenüber anderen Armeen. Das Regiment umfasste drei Bataillone mit 2400 Mann. Jeden Soldaten dieses Regimentes kannte der König persönlich mit Namen, Herkunft, Lebenslauf und privaten Umständen. Das Offizierskorps bestand seit der Regierungszeit Friedrich Wilhelm I. im Wesentlichen aus Angehörigen des Adels. Dieser musste allerdings regelrecht systematisch gezwungen werden in die Armee einzutreten. Friedrich-Wilhelm I. verbot dem Adel den Militärdienst in einer anderen als der preußischen Armee. Weiterhin erließ er die Anordnung, dass der Adel seine Söhne im Alter von 12–18 Jahren zur Ausbildung und Erziehung in das neu geschaffene Kadettenkorps zu geben hatte. Somit wurde der Adel, ähnlich den einfachen Bauern oder Bürgern, einer Dienstpflicht unterworfen. Grundsätzlich wurden in Friedenszeiten nur in Ausnahmefällen langgediente und besonders bewährte nichtadlige Unteroffiziere zu Offizieren ernannt. Obwohl Friedrich Wilhelm I. als Soldatenkönig in die Geschichte einging, führte er in seiner gesamten Amtszeit seine Armee nur einmal in den Krieg und zwar während des Großen Nordischen Krieges in der Belagerung von Stralsund (1715). Unter Friedrich dem Großen (1740–1786) bis zur Niederlage von 1806 Der Nachfolger von Friedrich Wilhelm I., Friedrich der Große (1740–1786), begann nach Neugliederung der preußischen Infanterie ein halbes Jahr nach der Thronbesteigung die Schlesischen Kriege und in europäischer Perspektive den übergeordneten Österreichischen Erbfolgekrieg. Die preußische Armee erlangte einen Sieg über Österreich in der Schlacht bei Mollwitz (1741) unter der Führung von Feldmarschall Kurt Christoph von Schwerin und entschied so den ersten Schlesischen Krieg zu Gunsten Preußens. Österreich versuchte Schlesien im Zweiten Schlesischen Krieg zurückzuerobern. Die preußische Armee hatte sich jedoch in den zwei Friedensjahren um neun Feldbataillone, 20 Husarenschwadronen (darunter 1 Schwadron Bosniaken) und sieben Garnisonsbataillone vermehrt. Außerdem führte man bei der Kavallerie und der Infanterie am 1. Juni 1743 ein neues Reglement ein, in dem die Erfahrungen des Ersten Schlesischen Krieges berücksichtigt wurden. So wurden Österreich und Sachsen in der Schlacht bei Hohenfriedberg 1745 besiegt. Besonders die Husaren unter der Führung von General Zieten konnten sich in dieser Schlacht auszeichnen. Österreich verbündete sich daraufhin mit Frankreich im Zuge der Diplomatischen Revolution (1756); Österreich, Frankreich und Russland standen gemeinsam gegen Preußen. Friedrich der Große griff seine Feinde mit einer Armee von 150.000 Mann präventiv an, womit er den Siebenjährigen Krieg auslöste. Obwohl zahlenmäßig unterlegen, erreichte die preußische Armee beachtenswerte Siege in der Schlacht von Roßbach und der Schlacht von Leuthen 1757. Hingegen wurden die preußischen Kräfte in der Schlacht bei Kunersdorf deutlich besiegt (1759). Mit zunehmend schwindenden physischen Reserven gewann vor allem der Kleinkrieg immer größere Bedeutung. Um die Überlegenheit der Österreicher (Grenzer, Panduren) und Russen (Kosaken) hier ausgleichen zu können, stellte Friedrich Freibataillone („Dreimal blau und dreimal des Teufels, ein exekaberes Geschmeiß!“) auf und griff sogar, mit Aufstellung von Milizeinheiten, der militärischen Entwicklung der Befreiungskriege vor. Der offensiv orientierte Friedrich II. war ein Verfechter der „Schiefen Schlachtordnung“, welche beträchtliche Disziplin und Mobilität der Truppen erforderte. Dabei wurde der Großteil seiner Streitkraft auf den linken oder rechten Flügel des Feindes konzentriert. Diese ließ er gestuft um die gegnerische Flanke vorrücken. Um den Zug zu vertuschen, griff Friedrich gleichzeitig die gegnerische Linie mit weiteren Einheiten frontal an, um den Gegner beschäftigt zu halten, damit der keine Zeit bekam, seine Formation dem Zug anzupassen. Wenn die Truppen nah an der Flanke des Gegners positioniert waren, konnten die preußischen Einheiten lokale Überlegenheit erlangen, in die Flanke eindringen und die feindlichen Reihen von der Seite her aufrollen und die Formation damit sprengen. Obwohl diese Taktik bei Kunersdorf fehlschlug, wurde sie mit großem Erfolg in der Schlacht von Leuthen und der Schlacht von Roßbach angewandt. Gegen Ende des Siebenjährigen Krieges begann Friedrich II. neue Taktiken auszuarbeiten, um die schräge Gefechtsreihe zu ersetzen. Die preußische Niederlage schien kurz bevorzustehen, aber Friedrich der Große wurde durch das „Mirakel des Hauses Brandenburg“ gerettet. Der plötzliche Tod der Zarin Elisabeth führte zum Ausscheiden Russlands aus dem Krieg und zur Rettung Preußens. Der Besitz Schlesiens wurde im Frieden von Hubertusburg (1763) bestätigt. Am Ende von Friedrichs Regierungszeit (1786) war die preußische Armee ein fester Bestandteil der preußischen Gesellschaft geworden. Die Mannschaftsstärke der preußischen Armee betrug etwa 193.000 Soldaten. Dies veranlasste den französischen Politiker und Schriftsteller Marquis de Mirabeau zu der Bemerkung, dass „Preußen kein Land mit einer Armee war, sondern eine Armee mit einem Land“ sei. Der Nachfolger Friedrichs des Großen, sein Neffe Friedrich Wilhelm II., kümmerte sich kaum um die Armee. Er hatte wenig Interesse an militärischen Fragen und übertrug die Verantwortung für sie vor allem an Karl-Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig, an Wichard von Möllendorff sowie an Ernst von Rüchel. In der Folgezeit büßte die Armee ihren militärischen Qualitätsstandard ein. Geführt durch alternde Veteranen der Schlesischen Kriege, zudem schlecht ausgerüstet, konnte sie nicht mit der französischen Armee der Napoleonischen Kriege mithalten. Von der Heeresreform unter Scharnhorst bis zu den Befreiungskriegen Einen großen Umbruch brachte das Jahr 1806. Das Heer, das bis dahin aus Zwangsverpflichteten und Geworbenen bestand, wurde in der Schlacht bei Jena und Auerstedt von der französischen Armee vernichtend geschlagen. Preußen verlor als Folge dieser Niederlage im Frieden von Tilsit 1807 große Teile seines Territoriums und die Armee wurde auf eine Stärke von 42.000 Mann begrenzt. Daraufhin begann Gerhard von Scharnhorst die Heeresreform. August von Gneisenau, Carl von Clausewitz und andere Offiziere halfen ihm bei der Reorganisation des Heeres. Scharnhorst öffnete die Armee für Bürgerliche mit dem Ziel, den Leistungsgedanken vor den Geburtsrechten des Adels zu verstärken. Dies galt besonders für das Offizierskorps. Das Bürgertum und der Adel sollten eine neue Offiziersschicht bilden, die des wissenschaftlich gebildeten Offiziers. Er befürwortete das Konzept der Massenaushebung (französisch levée en masse) für das preußische Heer, um die begrenzte preußische Armee zu verstärken; daraufhin wurde die Landwehr als Miliz geschaffen, die eine Stärke von 120.000 Mann erreichte. Nach Abschluss der Reorganisation im September 1808 dienten von den 142 preußischen Generälen des Jahres 1806 nur noch 22, von den übrigen waren 6 gefallen und 17 strafweise ausgeschieden. Scharnhorst führte das „Krümpersystem“ ein, indem bis zu einem Drittel der jeweiligen Soldaten beurlaubt und durch neue Rekruten ersetzt wurde. Dadurch wurde die festgesetzte Höchststärke von 42.000 Mann nicht umgangen, gleichzeitig aber ein Reservoir an dienstfähigen Männern geschaffen. Scharnhorst reformierte ebenfalls den Strafenkatalog. Stockprügel und der Spießrutenlauf wurden verboten, stattdessen sah das neue System nur noch Arreststrafen vor. Bei kleineren Vergehen wurden die Strafen entsprechend abgestuft, vom Nachexerzieren bis hin zum Arbeitsdienst oder der Strafwache. Diese Reform der Disziplinarstrafen war notwendig, damit das Konzept des Volksheeres aufgehen konnte. Das Bild des in den Dienst gepressten Soldaten, der mit Desertion drohte und den man mit Gewalt in der Armee halten musste, sollte abgelöst werden. Stattdessen sollte der Soldat ein angesehener ehrenhafter Berufsstand werden, der seine Pflichten freiwillig erfüllt. Der Erfolg dieser Reformpolitik ermöglichte Preußen wenige Jahre später, an den Befreiungskriegen erfolgreich teilnehmen zu können. Der Bündnisvertrag vom 24. Februar 1812 verpflichtete Preußen zur Stellung eines Hilfskorps von 20.000 Mann (14.000 Mann Infanterie, 4000 Mann Kavallerie, 2000 Mann Artillerie mit 60 Kanonen) für den Krieg gegen Russland. Dieses Hilfskorps wurde der 27. Division des X. Armeekorps der „Grande Armée“ zugeteilt. Die teilzunehmenden Bataillone und Regimenter wurden per Losentscheid ausgesucht. Das preußische Hilfskorps (Yorcksches Korps) geriet aber nicht in den Untergang der Großen Armee auf ihrem Weg nach Moskau und zurück, da es auf der linken Flanke in Kurland eingesetzt war. Widerrechtlich wurden dagegen auf direkten Befehl Napoleons zwei Stammkompanien der preußischen Artilleriebrigade der französischen Garde-Artillerie als Trainsoldaten angeschlossen. Diese kamen bis nach Moskau und sind dort im Gefolge der Garde-Artillerie mit untergegangen. Von diesen beiden Einheiten gab es fast keine Rückkehrer. Trotz einiger Gefechte konnte das Hilfskorps von Yorck weitgehend geschont werden und bildete nach einer Ergänzung im Januar/Februar 1813 in Tilsit den Kern der ersten Truppen im Befreiungskampf gegen Frankreich. Nach der Niederlage der „Grande Armée“ in Russland wurde am 30. Dezember 1812 bei Tauroggen (Tauragė in Litauen) der Waffenstillstand zwischen Preußen und Russland durch den preußischen Generalleutnant Graf Yorck und von Diebitsch, General der russischen Armee, unterzeichnet. Yorck handelte dabei aus eigener Initiative ohne Befehl seines Königs. Die Konvention besagte, dass Yorck seine preußischen Truppen aus der Allianz mit der französischen Armee herauslösen solle. In Preußen wurde dies als Beginn des Aufstandes gegen die französische Fremdherrschaft verstanden. Als am 17. März 1813 das Volk zum Befreiungskampf aufgerufen wurde, standen 300.000 preußische Soldaten (6 Prozent der Gesamtbevölkerung) bereit. Für die Dauer des Krieges wurde die Allgemeine Wehrpflicht eingeführt, ab 1814 galt sie auch für die Friedenszeit. Neben dem Stehenden Heer und der Landwehr, wurde mit dem Landsturm-Edikt vom 21. April 1813 noch ein drittes Aufgebot geschaffen, der sogenannte Landsturm, der nur für den Verteidigungsfall eingesetzt werden konnte und das letzte Aufgebot darstellte. Am Ende des Jahres 1815 hatte die preußische Armee eine Stärke von 358.000 Mann. Vom Wiener Kongress bis zu den Einigungskriegen Nach dem Wiener Kongress wurde ein Großteil der Landwehr und ein Teil der Linienarmee demobilisiert, so dass die Stärke von 358.000 Mann 1815 auf etwa 150.000 Mann im Jahre 1816 sank. In den Jahren zwischen 1816 und 1840 (Tod Friedrich Wilhelm III.) wurde der Militärhaushalt infolge eines strukturellen Haushaltsdefizits des preußischen Staates durch vielerlei Sparmaßnahmen begrenzt. Betrug der Anteil am Haushalt 1819: 38 %, so fiel der Militäranteil am Staatshaushalt 1840 auf: 32 %. Nach den Befreiungskriegen verblassten viele der zum Teil idealistisch gedachten Militärreformen. Dies ging mit der allgemeinen Restauration der alten Zustände einher. Die Landwehr war nicht in der Lage, den Platz, den ihr neben dem stehenden Heer zugedacht war, einzunehmen, da ihr militärischer Wert zu begrenzt war. Der Offiziersberuf stand zwar weiterhin dem Bürgertum offen, jedoch wurde die Adelsschicht offensichtlich bevorzugt. So wurde die preußische Armee wieder ein Hort für konservative, aristokratische und monarchische Gesinnung. Während der Revolution von 1848 war die preußische Armee das Instrument, das dafür sorgte, dass die Revolution scheiterte und die Herrschaftsstrukturen unangetastet blieben. Nachdem Preußen im Jahre 1850 eine Verfassung bekam, wurden die Soldaten auf den Herrscher vereidigt und nicht etwa auf den preußischen Staat. 1859 wurde Albrecht von Roon (Kriegs- und Marineminister) von Wilhelm I. beauftragt, eine Heeresreform durchzuführen um sich den veränderten Verhältnissen anzupassen. Die Ursachen für den erneuten Reformbedarf lagen im technischen Fortschritt und der stark gestiegenen Bevölkerungszahl (Die Heeresgröße lag wie 1816 bei 150.000 Mann). Weiterhin zeigte sich nach zwei chaotischen Mobilmachungen 1850 und 1859, dass die Landwehr für einen Verteidigungskrieg zwar gut zu gebrauchen war, jedoch bei einem Angriffskrieg nur von begrenztem Wert. Sein Ziel war es, das System von Scharnhorst auszudehnen und eine bewaffnete Nation zu schaffen. Um dies zu erreichen, schlug er in seiner Heeresreform vor, die Wehrpflicht bei drei Jahren beizubehalten, die Rekrutenzahl um 1/3 zu erhöhen, das Feldheer zu vergrößern und die Landwehr zu verkleinern. Durch einen dadurch ausgelösten Verfassungskonflikt wurde die Reform erst 1866 vom Norddeutschen Bund angenommen. Durch die weitere Zurückdrängung der Landwehr wurde der Prozess der „Entbürgerlichung“ des Heeres weiter vorangetrieben. Außerdem wurde in dieser Zeit (1850er und 1860er) die veraltete Ausrüstung modernisiert. Die preußische Armee war die erste, die die gesamte Infanterie mit gezogenen Gewehren, den Zündnadel-Hinterladern, ausstattete. Ebenso wurden die bisherigen glattgebohrten Geschütze allmählich durch neue gezogene Geschütze ersetzt. Der starke Drill, der noch von Friedrich Wilhelm I. stammte, wurde mehr und mehr von einem besseren Ausbildungssystem verdrängt, indem mehr Wert auf Gefechtsübungen und Scheibenschießen gelegt wurde. Dadurch wurde die Kampfkraft der Armee deutlich verbessert. Nachdem die Berufsausbildung der Offiziere lange Zeit vernachlässigt worden war, brachte man sie wieder auf einen hohen Stand. Durch diese Umstellungen wandelte sich die preußische Armee wieder in eine der kampfkräftigsten ihrer Zeit. Der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 und der Deutsche Krieg von 1866 zeigte diese Tatsache deutlich. Im Kaiserreich Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Jahr 1871 wurde die preußische Armee zum Kernbestandteil des Deutschen Heeres, die Badische Armee ging als XIV. Korps in ihr auf. Die preußische Armee blieb in Friedenszeiten rechtlich neben den anderen Länderarmeen (Sächsische Armee, Bayerische Armee, Württembergische Armee) bestehen. So gab es nach Artikel 63 Absatz 1 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 zu Kriegszeiten ein gesamtdeutsches Heer, das dem Oberbefehl des Kaisers unterstand. In Friedenszeiten dagegen war den Bundesfürsten mit eigenem Heer (Preußen, Sachsen, Württemberg und Bayern) der Oberbefehl vorbehalten. Somit hatte in Friedenszeiten der preußische König (der zugleich deutscher Kaiser war) den Oberbefehl über die preußische Armee. Zudem behielt das preußische Parlament in Friedenszeiten das Etatrecht für den Militärhaushalt. Durch die Reichsgründung besaß kein Bundesstaat mehr ein souveränes Kriegführungsrecht. Die preußische Armee als rechtlich eigenständige Armee wurde 1919 mit der Aufstellung der Reichswehr aufgelöst. Ein wichtiges Nachschlagewerk für und über die preußische Armee war – und ist noch heute zum Beispiel für Historiker oder Genealogen – die regelmäßig vom Kriegsministerium zu Berlin herausgegebene Rangliste. Nach der Auflösung Artikel 160 des Versailler Vertrages begrenzte die Größe des Landheeres auf 100.000 und die der Marine auf 15.000 Berufssoldaten. Der Unterhalt von Luftstreitkräften, Panzern, schwerer Artillerie, U-Booten und Großkampfschiffen war dem Reich untersagt. Zugleich wurde die Auflösung von Generalstab, Kriegsakademien und Militärschulen verfügt. Die meisten Soldaten wurden entlassen; viele hatten Schwierigkeiten, sich nach dem Krieg im Zivilleben zurechtzufinden. Reichswehrminister Otto Geßler begnügte sich während seiner Amtszeit mit begrenzten politischen und administrativen Aufgaben; es gelang dem Chef der Heeresleitung Hans von Seeckt, die Reichswehr der Kontrolle des Reichstages weitgehend zu entziehen. Unter Seeckt entwickelte sich die Reichswehr zu einem „Staat im Staate“. Sie fühlte sich eher einer abstrakten Staatsidee als der Verfassung verpflichtet und stand der politischen Linken mit ausgeprägtem Misstrauen gegenüber. V. Seeckt war 1885 in die preußische Armee eingetreten und hatte bis 1918 eine steile Karriere gemacht. Während des Kapp-Putsches 1920 verweigerte Seeckt den Einsatz der Reichswehr gegen die putschenden Freikorps; den Aufstand der Roten Ruhrarmee ließ er aber brutal niederschlagen. Die Reichswehr organisierte außerdem mit der sogenannten „Schwarzen Reichswehr“ eine geheime und mit paramilitärischen Formationen vernetzte Personalreserve, als deren Führungskader sie sich begriff. 1926 wurde v. Seeckt gestürzt. Unter der Reichspräsidentschaft Hindenburgs erlangte die Reichswehrführung zunehmenden politischen Einfluss und bestimmte schließlich auch die Zusammensetzung der Reichsregierungen mit. Dadurch trug die Reichswehr maßgeblich zur Entwicklung eines autoritären Präsidialsystems während der Endphase der Weimarer Republik bei. Uniformierung Allgemeines Uniformen im modernen Sinn wurden erst mit Einführung der stehenden Heere und der Gründung von Textilmanufakturen eingeführt. Die Grundfarbe der Uniformen war in Preußen blau. Diese war günstig in der Herstellung und meist die Farbe der ressourcenschwachen protestantischen Staaten im Nordosten Europas, wie zum Beispiel Schweden oder Hessen-Kassel. Im Gegensatz dazu trugen reiche römisch-katholische Staaten im Allgemeinen helle (Weiß, Grau und Gelb), reiche protestantische Staaten rote Uniformröcke (Kurhannover, Dänemark, Großbritannien). Ursprünglich wurde in Brandenburg-Preußen die Uniform Livree oder Montierung genannt, erst ab Friedrich II. setzte sich die Bezeichnung Uniform durch, die alten Begriffe haben sich aber umgangssprachlich noch lange behauptet. Als grobe Regel galt, dass der preußische Soldat einmal im Jahr eine neue Uniform bekam, insgesamt gab es bis zu fünf Garnituren. Die erste Garnitur wurde zur Parade angelegt, die zweite als Ausgehuniform, die dritte und vierte Garnitur zum täglichen Dienst und die fünfte Garnitur, sofern vorhanden, lag für den Kriegsfall in der Kammer. Jeder Soldat konnte – nachdem er eine Austauschgarnitur erhielt – seine alte Uniform zur freien Verfügung behalten. In der Regel wurde diese zur Einkleidung der Familienmitglieder weiterverwendet. So kam es, dass besonders auf dem Land die ausgesonderten Uniformen durch die Zivilbevölkerung jahrelang getragen wurden. Hergestellt wurden die preußischen Uniformen zum größten Teil durch das extra dafür im Jahre 1713 durch königliche Weisung gegründete königliche Lagerhaus in Berlin. Insbesondere die Offiziersuniform erfüllte nicht nur repräsentative Funktion, sondern wurde von ihren Trägern auch im Rahmen einer jeweils spezifischen Regimentskultur als Distinktionsmittel genutzt. Auch ohne Dienstgradabzeichen ließen sich über Details der Uniform (z. B. Hutfedern, Portepees) Binnendifferenzierungen vornehmen. Infanterie Kurbrandenburgisch/preußische Infanterieuniformen (1644–1709) Blauer, vorne offener Rock, dazu Halsbinde, Weste, Hosen und Strümpfe in Regimentsfarben. Breite Halbschuhe mit Spangen, eine große Patronentasche und einen breiten, aufgeschlagenen Hut oder Grenadiermütze. Die Offiziere unterschieden sich durch bessere Stoffe, Schnitte und Stickereien an der Uniform. Zeichen ihres Standes waren auch Sponton, Degen und die Offiziersschärpe. Altpreußische Infanterieuniformen (1709–1806) 1709 wurde ein Reglement für einheitliche preußische Uniformen eingeführt. Es wurde von allen Soldaten (Mannschaften, Unteroffizieren und Offizieren) im Prinzip der gleiche blaue Rock getragen. Die Röcke unterschieden sich in der Qualität der Stoffe und der Schnitte. Dazu eine weiße oder gelbe Weste und eine gleichfarbige Hose. Die Gamaschen waren anfangs weiß, ab 1756 schwarz, mit Halbschuhen. Stiefel wurden zumeist nur von den Stabsoffizieren und Generälen getragen. Ärmel, Rabatten, Kragen und Aufschläge waren in den Regimentsfarben ausgeführt. Ebenso war das jeweilige Regiment an der Form der Ärmelaufschläge sowie der Farbe und der Gestalt der Knöpfe, Borten, Schleifen, Tressen und Stickereien zu erkennen. Kopfbedeckung war der Dreispitz, bei den Grenadieren die Grenadiermütze. Offiziere waren am Portepee, der Schärpe und am Ringkragen zu erkennen. Die Offiziere untereinander unterschieden sich durch die Stickereien am Rock. Ab 1742 wurden die Generäle durch eine Straußenfeder an der Hutkrempe erkenntlich. Unteroffiziere waren an einer glatten Litze am Hut und Tressen an den Ärmelaufschlagen sowie an der Seitenwaffe zu erkennen. Seit 1741 in der Garde und seit 1789 allgemein durften die Unteroffiziere ab Vizefeldwebel auch das Portepee tragen. Jäger trugen einen grünen Rock mit grüner Weste und dazu eher olivefarbene Hosen mit schwarzen Gamaschen, ab 1760 Stiefel. Neupreußische Infanterieuniformen (1806–1871) Infolge der französischen Revolution und den sich anschließenden Erfolgen der napoleonischen Armeen nach 1789 passten sich die auch die preußischen Uniformen mehr dem neuen französischen Stil an. Bis zum Untergang der altpreußischen Armee in der Schlacht von Jena und Auerstedt glichen sie noch weitgehend den Uniformen zu den Zeiten Friedrichs II. Im Zuge der Heeresreformen nach dem Untergang der altpreußischen Armee 1806 wurden auch neue Uniformen eingeführt. Die Grundfarbe blieb blau. Die neuen Röcke waren der Mode entsprechend sehr kurz, die Hosen weit nach oben gezogen, teilweise jetzt eher grau, sehr hohe Stehkragen, Rock und Hose sehr eng geschnitten. Als Kopfbedeckung wurde das Tschako in einer hohen und weiten Form eingeführt. Schulterstücke bzw. Epauletten zur Unterscheidung der Dienstgrade wurden ab 1808 eingeführt. Die neu entstandene Landwehr hatte eine einfach gehaltene Uniform mit einer Litewka aus blauem oder schwarzem Tuch mit farbigem Kragen und weiten leinenen Hosen. Die Abzeichen am Kragen, Aufschlagvorstoß, Mützenrand und Deckelvorstoß waren in den Farben der jeweiligen Provinz gehalten. Auf der Mütze trugen sie ein großes Landwehrkreuz. 1843 wurde ein neuer Helm, im Volksmund „Pickelhaube“ genannt, eingeführt. Die Glocke war anfangs sehr hoch geschnitten. Allgemein änderten sich die Uniformen der Mode entsprechend Mitte des Jahrhunderts zu niedrigeren und weicheren Stehkragen, längeren Rockschößen, weiterem Hosenschnitt und niedrigerem Helm mit kürzeren und runden Augenschirmen in mehreren Schritten. 1853 wurde der sogenannte Gefreiten-Knopf am Kragen als Dienstgradabzeichen eingeführt. 1866 kamen die endgültigen Schulterstücke für die Offiziere. Der Waffenrock wurde einreihig mit acht Knöpfen. Die Stiefel wurden niedriger bis zu der bekannten „Knobelbecher-Form“. Preußische Infanterieuniformen im Kaiserreich 1871–1919 Die Uniformen blieben bis zum Kriegsausbruch weitgehend unverändert. Nach der Reichsgründung wurde ab 1897 neben der Landeskokarde nun auch die Reichskokarde getragen. 1907 wurde versuchsweise die erste feldgraue Uniform eingeführt, die aber nur im Kriegsfalle angelegt werden sollte. Die feldgraue Uniform erfuhr bis zum Kriegsbeginn und während des Krieges noch einige Änderungen, so wurde die Farbe beispielsweise eher ein Graugrün, der Name „Feldgrau“ aber beibehalten. Im Weltkrieg wurde ausschließlich eine feldgraue Uniform getragen, anfangs die „Pickelhaube“ mit Überzug, ab Mitte des Krieges wurde flächendeckend der Stahlhelm M1916 eingeführt. Jäger und Schützen trugen einen dunkelgrünen Waffenrock und als Kopfbedeckung ein Tschako. Die Artillerie trug ebenfalls einen dunkelblauen Waffenrock mit schwarzem Kragen. Die Helmspitze endete in einer Kugel. Die Soldaten des Trains trugen dunkelblaue Waffenröcke mit hellblauem Kragen und ein Tschako. Kavallerie Die Husaren trugen eine Attila in Regimentsfarben mit Schnurbesatz und Achselschnüren. Einige Regimenter trugen dazu einen Pelz. Die Dragoner hatten einen Waffenrock aus kornblumenblauem Tuch mit je nach Regiment verschiedenenfarbigen Kragen, Aufschlägen und Schulterklappen. Der Helm war ähnlich dem der Infanterie. Die Ulanen hatten eine Ulanka (Waffenrock) aus dunkelblauem Tuch mit Epauletten und je nach Regiment verschiedenenfarbigen Kragen, Aufschlägen und Vorstößen. Als Kopfbedeckung wurde eine Tschapka getragen. Bei den Kürassieren war der Koller aus weißem Kirsey mit gleichfarbigem Kragen und Schulterklappen, je nach Regiment mit verschiedenenfarbenen Ärmelaufschlägen, Borten, Vorstößen und Kragenpatten. Kopfbedeckung war ein Stahlhelm (Kürassierhelm). Die Jäger zu Pferde hatten einen Koller und Waffenrock aus graugrünem Tuch mit hellgrünen Schulterklappen und Aufschlägen. Geschwärzter Stahlhelm als Kopfbedeckung. Dienstgrade Dienstgradgruppen Es gab sechs Dienstgradgruppen in der preußischen Armee: 1. Mannschaften (Gemeine), 2. Unteroffiziere (mit und ohne Portepee), 3. Subalternoffiziere, 4. Hauptleute, 5. Stabsoffiziere und 6. Generale. Der Mannschaftsdienstgrad beschränkte sich auf den einfachen Soldaten, seinerzeit „Gemeiner“ genannt, der auch nach der jeweiligen Waffengattung bezeichnet wurde und als zweiter Dienstgrad den Gefreiten bei der Infanterie. Bei der Kavallerie verzichtete man ganz auf den Gefreitendienstgrad. Erst 1859 änderte sich dies durch die Einführung des Obergefreiten-Dienstgrades teilweise. Allerdings blieb dieser Dienstgrad nur auf die Artillerie beschränkt. Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts wurden einige Dienstgradbezeichnungen in Preußen modernisiert. Anstelle der bisherigen Bezeichnungen Obristwachtmeister und Obrist setzte sich die Bezeichnung Major und Oberst durch. Im 18. Jahrhundert waren Dienstgradabzeichen zur Unterscheidung der verschiedenen Dienstgrade noch nicht üblich. Sie wurden erst 1808 in Preußen eingeführt. Mit der Einführung einer einheitlichen Uniformierung in der preußischen Armee, bekamen die Offiziere nach und nach Abzeichen zur Unterscheidung der verschiedenen Rangklassen. So galt das Tragen eines Degens im 18. Jahrhundert bereits als Rangabzeichen. Weitere Unterscheidungsmerkmale waren zum Beispiel die Qualität und der Schnitt der Uniform an sich. Die Dienstgrade der preußischen Armee waren Vorbild für die Dienstgrade der nachfolgenden deutschen Armeen bis zur heutigen Bundeswehr. Dienstgradabzeichen Die Gefreiten trugen an jeder Kragenseite einen Auszeichnungsknopf (der sog. Gefreitenknopf) mit dem preußischen Adler. Die Obergefreiten trugen an jeder Kragenseite den größeren Auszeichnungsknopf der Feldwebel und Sergeanten, außerdem die Säbeltroddel der Unteroffiziere. Unteroffiziere ohne Portepee trugen goldene oder silberne Tresse am Kragen und den Aufschlägen des Waffenrocks. Säbeltroddel oder Faustriemen mit einem in der Landesfarbe gemischten Quast. Die Sergeanten trugen dazu einen großen Auszeichnungsknopf. Unteroffiziere mit Portepee (Feldwebel, Wachtmeister, Vizefeldwebel und Vizewachtmeister) trugen dazu das Offiziersseitengewehr mit Portepee. Offiziersstellvertreter trugen die Abzeichen der Vizefeldwebel (beziehungsweise Vizewachtmeister) mit dem Unterschnallkoppel der Offiziere. Die Schulterklappen hatten eine Tresseneinfassung. Leutnants und Hauptleute trugen ein Schulterstück (Achselstück) aus mehreren nebeneinander liegenden Pattschnüren. Darauf befand sich, aus Metall geprägt die Nummern oder Namenszüge, die auch die Mannschaften tragen. Ein einfacher Leutnant trug keinen Stern, ein Oberleutnant trug einen silbernen Stern, ein Hauptmann hatte zwei silberne Sterne. Die Epauletts waren ohne Fransen, sonst wie die Schulterstücke. Die Epauletten der Stabsoffiziere hatten geflochtene mit Silber durchzogene Schnüre. Beim Major ohne Stern, der Oberstleutnant hatte einen goldenen Stern, ein Oberst zwei goldene Sterne. Darauf befand sich, aus Metall geprägt die Nummern oder Namenszüge, die auch die Mannschaften trugen. Epauletts mit silbernen Fransen, sonst wie die Schulterstücke. Die Generale besaßen am Kragen und den Aufschlägen eine Eichenlaubstickerei. An den Schulterstücken waren die goldenen geflochtenen Schnüre silberdurchwirkt. Generalmajor ohne Stern, Generalleutnant ein Stern, General der Infanterie usw. zwei Sterne, Generaloberst drei Sterne und der Generalfeldmarschall zwei gekreuzte Kommandostäbe. Epauletts mit goldenen Fransen. Bewaffnung Die Bewaffnung der Soldaten der preußischen Armee war je nach Dienstgrad und Regiment verschieden. Im 17. und 18. Jahrhundert bestand das Wehrmaterial aus Degen, Säbel, Pike, Bajonett, Muskete, Gewehr (Steinschlossflinte), Karabiner, Kanone, Haubitze und Mörser. Die Hieb- und Stichwaffen änderten sich wenig im Laufe des 19. Jahrhunderts. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen die sog. Zündnadelgewehre hinzu, wovon 60.000 Stück im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1840 gefertigt wurden. Hinzu kamen außerdem ein größtenteils neugeschaffenes, erleichtertes Material an altbewährten glatten Geschützen (Kanonen und Haubitzen), bei denen sowohl Wirkung als auch Beweglichkeit ausgewogener berücksichtigt wurden. Organisation Altpreußische Armee Wie alle Armeen in der Zeit von 1644 bis 1806 bestand die Armee aus den Waffengattungen der Infanterie und Kavallerie. Als eigenständige Waffengattung kam die Artillerie später hinzu. Die preußische Armee konzentrierte sich mehr auf die Infanterie. So stellten die beiden Waffengattungen Kavallerie und Artillerie wenig mehr als Unterstützungskräfte der Infanterie in der Ansicht der damaligen Befehlshaber dar. Dies äußert sich zum Beispiel in der sehr auf die Infanterie zentrierten Ausbildung der Artillerie oder der Dragoner. Wie der Anstieg der numerischen Größe der Armee in Verlaufe der Zeit vermuten lässt, so stieg die Zahl der neugegründeten militärischen Einheiten parallel mit an. Bei allen drei Waffengattungen stellte das Regiment die größte Organisationsform in der Armee dar. Die Stärke veränderte sich natürlich in Verlaufe der Zeit, so dass einheitliche Zahlenangaben nicht möglich sind. Die Infanterie bildete bis 1806 nach und nach insgesamt 60 Infanterieregimenter aus. Die Kavallerie hatte bis 1806 eine Anzahl von 35 Regimentern gebildet. Die Artillerie bestand 1806 aus 4 Feldartillerieregimentern, einem reitenden Artillerieregiment und 17 Garnisonartilleriekompanien. Neben diesen drei Waffengattungen gab es auch noch kleinere Gruppen in der preußischen Armee. Zu nennen wären die technischen Truppen (zum Beispiel Mineure und die Ingenieure), Spielleute, das rudimentäre Sanitätswesen und die Feldprediger. Neupreußische Armee Die altpreußische Armee wurde im Krieg von 1806 durch Napoleon völlig zerschlagen, viele Soldaten gingen in Gefangenschaft. Die preußischen Generäle hatten 1806 schmerzlich erfahren, dass die bisherige Organisationsstruktur mit dem Regiment als größte Organisationsform, strikt getrennt nach den einzelnen Waffengattungen, nicht mehr zeitgemäß war. Mit der Neuaufstellung der Armee ab 1807 wurde beschlossen, die alten Regimenter in ihrer bestehenden Form aufzulösen und eine neue Struktur zu schaffen. Die Reformer um Scharnhorst bildeten daraufhin gemischte Truppenverbände, in denen die verschiedenen Waffengattungen (Artillerie, Kavallerie, Infanterie) integriert waren. Diese Truppenverbände sollten in der Lage sein, sämtliche in einer Schlacht bzw. in einem Feldzug auftretenden Probleme/Aufgaben eigenständig zu lösen. So entstanden zusätzlich zu der bisherigen Gliederung folgende Großverbände: 1. das Armeekorps, 2. die Division, 3. die Brigade. Die neue Gliederung der preußischen Armee war folgende: Armeekorps, Division, Brigade Regiment, Bataillon, Kompanie. Nach der erfolgten Reformierung und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1814 entstand das typische Nebeneinander von Linienarmee und Landwehr in der Armee. So wurde im Kriegsfall jedem Linienregiment ein Landwehrregiment zugeordnet, die zusammen eine Brigade bildeten. Eine weitere wichtige strukturelle Änderung stellte die Einrichtung des preußischen Kriegsministeriums ab dem 25. Dezember 1808 dar, anstelle der zuvor auf verschiedene Behörden verteilten Militärverwaltung. Die preußische Infanterie gliederte sich ab 1807 in eine Linieninfanterie, Leichte Infanterie/Jäger und der Landwehrinfanterie. Die Linieninfanterie behielt weiterhin die alten Bezeichnungen Musketier, Füsilier, Grenadier, jedoch gab es außerhalb des Namensbereiches keinerlei Unterschiede mehr. Die Kavallerie gliederte sich ebenfalls in eine Linienkavallerie und die Landwehrkavallerie, letztere wurde jedoch 1866 aufgelöst. Die Linienkavallerie bestand weiterhin aus verschiedenen Kavallerietypen: den Kürassieren, Husaren, Dragonern und neu hinzugekommen die Ulanen. Ein Sonderfall in der Armee stellten die Garderegimenter dar, die zusammen das Gardekorps bildeten (Armeekorps mit eigener Gliederung). Die preußische Armee bildete bis 1914 insgesamt acht Garde-Kavallerieregimenter und 11 Garde-Infanterieregimenter aus. Von Ende 1815 bis 1859 blieb die Struktur der preußischen Armee weitgehend gleich. Eine größere Veränderung fand 1861 infolge der Heeresreform durch von Roon statt, als zusätzliche Linienregimenter gegründet wurden auf Kosten der Landwehr, die erheblich an Bedeutung verlor. Durch die Bildung des Norddeutschen Bundes wurden weitere Kontingente kleinerer Staaten in die Armee integriert. Von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs stieg die Stärke der preußischen Armee immer mehr an. Sie bildete bis zu 80 % der Reichsarmee. 1900 bestanden 17 preußische Armeekorps (daneben drei bayerische mit separater Nummerierung, zwei sächsische und ein württembergisches). Einem Armeekorps unterstanden in der Regel zwei Divisionen. Die Gesamtstärke eines Armeekorps betrug: 1.554 Offiziere, 43.317 Mann, 16.934 Pferde, 2.933 Fahrzeuge. Die Divisionen umfassten in der Regel zwei Infanteriebrigaden zu je zwei Regimentern, zwei Kavallerieregimenter zu vier Schwadronen und eine Feldartilleriebrigade zu zwei Regimentern. Ein Infanterie-Regiment bestand aus normalerweise aus drei Bataillonen, welche aus je vier Kompanien bestanden, pro Regiment also zwölf Kompanien. Daneben standen einem Armeekorps als Korpstruppen ein bis zwei Fußartillerieregimenter, ein Jägerbataillon, ein bis zwei Pionierbataillone, ein Trainbataillon sowie teilweise verschiedene weitere Verbände, wie beispielsweise ein Telegraphenbataillon, ein bis zwei Feldpionierkompanien, ein bis zwei Sanitätskompanien, Eisenbahnkompanien usw. zur Verfügung. Ein Infanterieregiment hatte 1900 eine Friedensstärke von 69 Offizieren, sechs Ärzten, 1.977 Unteroffizieren und Mannschaften sowie sechs Militärbeamte, insgesamt also 2.058 Mann. Ein Kavallerieregiment kam auf 760 Mann und 702 Dienstpferde. Diese Stärke galt für Regimenter mit hohem Etat, Regimenter mit mittlerem oder niedrigerem Etat hatten eine geringere Stärke. Eine Infanteriekompanie mit hohem Etat hatte fünf Offiziere und 159 Unteroffiziere und Mannschaften, mit niedrigerem Etat vier Offiziere und 141 Unteroffiziere und Mannschaften. 1914 umfasste die preußische Armee: 166 Infanterieregimenter, 14 Jäger-/Schützen Bataillone, 9 MG- Abteilungen, 86 Kavallerieregimenter, 76 Artillerieregimenter, 19 Fußartillerieregimenter (Festungsartillerie), 28 Pionierbataillone, 7 Eisenbahnbataillone, 6 Telegrafenbataillone, 4 Fliegerbataillone, 1 Kraftfahrbataillon, 19 Train-Abteilungen. Lebensverhältnisse der Armeeangehörigen in der altpreußischen Armee (1644–1807) Wohnverhältnisse Nach der Einführung des stehenden Heeres durch den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm änderte sich das Leben der Soldaten grundlegend. Zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges hatten die Landsknechte Anspruch auf Sold und die Beute bei Erstürmung und Plünderung einer eroberten Stadt. Einen sonstigen Anspruch auf Verpflegung gab es nicht. Ein einheitliches Rechts- und Bestrafungssystem hat es für die Soldaten ebenfalls nicht gegeben. Zur Sommerzeit verblieben die Truppen in temporären Lagern und zur Winterzeit wurden sie einquartiert. Diese Form der Einquartierung wurde nun für die stehenden Regimenter üblich. Das heißt, dass die Bürger den Soldaten eine Stube (zur Straße gelegen) in ihren Häusern zur Verfügung zu stellen hatten. Diese Einquartierungen verursachten bei den Wirten eine erhebliche Last (dies gilt besonders für verheiratete Soldaten). Als Ausgleich erhielten die Wirte für einen verheirateten Soldaten 14 Groschen, für einen unverheirateten 10 Groschen pro Monat. Die Kavallerieregimenter lagen zunächst in Dörfern auf dem Land, wurden dann aber auch in die Städte verlegt. Der Grund für die Verlegung lag in der besseren Kontrolle der Soldaten in der Stadt (die Stadt als abgeschlossenes System) und den ausufernden Disziplinlosigkeiten derselben gegen die ländliche Bevölkerung. Alle von der Einquartierung nicht betroffenen Hausbesitzer hatten eine Abgabe zu entrichten. Die unverheirateten Soldaten mussten zusammen mit anderen Soldaten kameradschaftlich ihren Haushalt führen. Die täglichen Lebensmitteleinkäufe und die Zubereitung der Mahlzeiten geschah eigenständig und ohne Bevormundung. Nur in den Festungsorten Magdeburg und Kolberg lagen die Mannschaften in der Zeit vor dem Siebenjährigen Krieg in Baracken. Ansonsten dauerte es noch sehr lange, bis das gesamte Heer in eigenen Kasernen untergebracht wurde. Kurz nach dem Siebenjährigen Krieg wurde in Berlin die erste Kavalleriekaserne errichtet, der bald weitere folgten. Diese sollten in erster Linie die verheirateten Soldaten und ihre Familien aufnehmen. Die erste Infanteriekaserne wurde 1767 in Prenzlau gebaut. Sie war für 240 Mann gedacht. Weitere Kasernen folgten in Berlin, Spandau, Nauen, Neuruppin, Frankfurt/O und Königsberg. Auch in diesen Kasernen lag die Kapazität bei 240 Mann. Allerdings reichten die Kasernen bei weitem nicht aus, um alle Soldaten und deren Familien dort unterzubringen. In den Kasernen teilte sich ein Verheirateter mit Frau und Kindern und zwei ledigen Soldaten eine Stube. Die Reinigung oblag der Frau des Verheirateten. Sie erhielt dafür von jedem Soldaten 6 Groschen im Monat. Diese beengten Wohnverhältnisse führten zu häufigen Konflikten und gewaltsamen Auseinandersetzungen. Soldaten durften zum Teil heiraten, wenn das Verhältnis zu unverheirateten in einer Kompanie nicht 1/3 überstieg. Dazu benötigten sie die Erlaubnis des Kompaniechefs. Besonders bei den angeworbenen Ausländern wurde gern gesehen, wenn sie heirateten, da dann die Gefahr der Desertion erheblich verringert war. Verdienst und Unterhalt Ein einfacher Fußsoldat erhielt nach Abzug von Brot- und Kleidungskosten einen Taler und acht Groschen im Monat[ (zum Vergleich: eine Mahlzeit mit Getränk kostete um 1750 etwa 2 Groschen, ein Taler bestand aus 24 Groschen). Das Quartier der Soldaten war dagegen frei und ein Soldat erhielt 1 1/2 Pfund Kommißbrot täglich. Auch bedingt durch diese äußerst karge Entlohnung durften die Soldaten einem Beruf nachgehen, um einen Zuverdienst zu erhalten. So gab es Handwerksmeister, die Ungelernten arbeiteten bei den Tuchmachern, als Wollspinner oder als Handlanger im Baugewerbe. Während eines Feldzuges versorgte sich der Soldat von seinem Gehalt und den Zulagen, die er erhielt. Diese waren zwei Pfund Brot täglich und wöchentlich zwei Pfund Fleisch. Was den Offiziersrang betrifft, so musste sich ein Offizier der unteren Ränge mit einem sehr niedrigen Gehalt von 9–13 Talern pro Monat zufriedengeben. Davon musste er das aufwendige standesgemäße Leben finanzieren, das von einem Offizier erwartet wurde. Somit war eine solche Position für eine längere Zeit ein Verlustgeschäft. Erst mit dem Kapitänsrang (Befehlshaber einer Kompanie), den man nach durchschnittlich 15 Jahren Dienstzeit erreichte, konnte der Offizier ein reichlicheres Einkommen erwarten. Dem Kommandierenden einer Kompanie oblag neben der militärischen Führung die wirtschaftliche Haushaltsführung einer Kompanie. Wirtschaftete der Capitain einer Kompanie gut, so konnte er durchaus 2000 Taler Überschuss pro Jahr erwirtschaften, welchen er für sich beanspruchen durfte. Der eigentliche Sold war allerdings immer noch knapp bemessen und lag bei etwa 30 Talern pro Monat. Rekrutierung und Desertion Eine Veränderung der Lebensweise der Soldaten beim Übergang des Söldnerheeres zum stehenden Heer war die Rekrutierung. Bis etwa 1700 war das System der freien Werbung üblich gewesen. Durch den Spanischen Erbfolgekrieg sollte sich das dauerhaft ändern. Preußen war nicht mehr in der Lage, die hohen Abgänge seiner Regimenter durch freie Werbung zu ersetzen, somit stellte nicht mehr das Finanzierungssystem sondern das Aufbringungsproblem die Hauptsorge der preußischen Armee dar. So ging man zur Zwangswerbung über. Trotz der dadurch entstehenden Probleme (Desertion) setzte sich das Verfahren durch, Teile der Bevölkerung zu Soldaten zu pressen. Im Laufe des Spanischen Erbfolgekrieges kam es zu regelrechten Menschenjagden. Die Werber bedienten sich dabei aller möglichen Listen und Verbrechen, um möglichst großer, wehrtauglicher Männer habhaft zu werden. So änderte der Spanische Erbfolgekrieg radikal den Soldatentypus innerhalb der preußischen Armee, vom freiwillig verpflichteten Söldner zum gepressten, zwangsdienenden Soldaten. Statt eines Lebensberufes war das „Soldat-Sein“ zu einem lebenslänglichen Schicksal ohne Ausweg verkommen. Nach dem Krieg und der Rückkehr der Regimenter in die Garnison setzte eine Desertionswelle ein, die alles bisher Dagewesene übertraf. Allein 1714 desertierten 3.471 Musketiere (fast drei komplette Regimenter). Der dadurch hervorgerufene Mangel an Soldaten rief eine erneute Menschenjagd hervor, indem die Werber wiederum brutal, rücksichtslos und willkürlich jeden Mann rekrutierten, dessen sie habhaft werden konnten. Dadurch kam es in einigen Provinzen des Landes zu Aufruhr in der Bevölkerung. Aus Furcht vor lebenslangem Militärdienst verließen viele junge Männer in dieser Zeit das Land. Dies änderte sich erst mit der Einführung des Kantonssystem 1733. Dieses System machte die quasi vorhandene Wehrpflicht berechenbarer. Das Kantonsystem trug auch dazu bei, dass die Desertionen in Grenzen gehalten wurden. Insgesamt desertierten von 1713 bis 1740 30.216 preußische Soldaten. 1720 desertierten 820 Infanteristen, 1725 nur noch 400 Infanteristen. Diese Zahl blieb bis 1740 etwa konstant. Während des Siebenjährigen Krieges war die Desertionsrate des preußischen Heeres nicht höher als in anderen europäischen Heeren. Ein guter Nachweis ist neben den Zahlen die Weigerung des allergrößten Teils der kriegsgefangenen preußischen Soldaten in die österreichische Armee einzutreten. Dies obwohl sie nicht auf Rückkehr hoffen durften und die Haftbedingungen sehr schlecht waren. Selbst in den bittersten Momenten, zum Beispiel nach der Schlacht bei Kunersdorf 1759, verlor die preußische Armee, im Vergleich zu anderen europäischen Streitkräften, nur wenige Männer durch Desertion. Die im preußischen Diensten stehenden Nicht-Preußen hatten keine höhere Desertionsrate als die Preußen selbst. Militärische Ausbildung und Alltag Für die damalige Linientaktik im Gefecht wurden Soldaten benötigt, die ihre Waffe und den Gleichschritt perfekt beherrschten und auch unter dem enormen Stress des Gefechts zuverlässig „funktionierten“. So entstand ein System, in dem der Soldat zum willenlosen Vollstrecker der Befehle seiner Vorgesetzten erzogen wurde. Der militärische Alltag während der eineinhalbjährigen Ausbildung bzw. der jährlichen zweimonatigen Dienstzeit bestand aus bis zu fünfstündigen Exerzier- und Drillübungen auf Exerzierplätzen und anschließendem Putzen und Reinigen der Ausrüstung. Dienstantritt war bereits um 5:30 Uhr, allerdings war gegen Mittag in der Regel schon Dienstschluss. Bei den Exerzier- und Drillübungen bediente man sich auch der Prügelstrafe (galt bis 1812), die allerdings rechtlich begrenzt waren. So wurde laut Militärstrafenkatalog derjenige bestraft, der einen Mann bei der Prügel blutig schlug. Zu den drakonischen Körperstrafen hingegen zählte der Spießrutenlauf, der in den neuen Kriegsartikeln von 1713 mehrmals angedroht wurde. In Fällen extrem möglichen Durchlaufes – bis zu 30 mal – kam diese Strafe einem Todesurteil gleich. Trotz der teilweise sehr harten Strafen muss auch der Kontext gesehen werden, dass die Gewalt in den Regimentern zum Charakter der damaligen Zeit gehörten. So war es auch normal, dass der Bauer von seinem Gutsherren geprügelt wurde. Strafen wie Spießrutenlaufen oder Hängen waren dagegen im Dreißigjährigen Krieg viel schlimmer ausgeprägt als in späteren Zeiten. Der Unterschied zwischen den Strafen der preußischen Armee und denen anderer europäischer Armeen lag dann auch nicht in der Härte, sondern in der Rechtmäßigkeit. So wurde die traditionelle Härte und Misshandlung des gemeinen Soldaten in der ganzen Armee nach gleichen Regeln, nach Rechtsgrundsätzen und nicht mehr nach persönlicher Willkür durchgeführt. Durch Friedrich Wilhelm II. wurde die Prügelstrafe eingeschränkt, nach der Reorganisation der Armee 1807 quasi abgeschafft und nur für die Personen in der zweiten Klasse des Soldatenstandes beibehalten. Durch das Militärstrafgesetzbuch von 1872 sind alle Körperstrafen aufgehoben worden. Ab 1714 wurde ein Beurlaubungssystem eingeführt, bei dem die etwa 18 Monate lang ausgebildeten Soldaten jedes Jahr nach einer zweimonatigen Exerzierzeit für zehn Monate beurlaubt wurden. Diese Regelung galt allerdings nicht für die geworbenen Ausländer (1740: 1/3 Anteil am Heer), die als Wach- und Ausbildungsposten durchgehend ihren Dienst in der Garnison verrichteten. Die Beurlaubten mussten während ihrer Urlaubszeit immer ein militärisches Kleidungsstück tragen (vermutlich die Stiefeletten). Damit waren sie äußerlich gekennzeichnet und auch vor der Willkür der Gutsherren geschützt, denn sie unterlagen nur der Militärgerichtsbarkeit. Der Dienst in der Armee war theoretisch lebenslang bis zur Dienstuntauglichkeit. In der Praxis diente aber die Mehrheit der Soldaten 10–15 Jahre. Erst ab 1787 gab es offizielle Richtlinien, wonach Soldaten bei der Kavallerie 12 Jahre und Soldaten der Infanterie 10 Jahre dienen und danach entlassen werden sollten. Alters- und Invalidenversorgung Für die preußische Führung hatten gut ausgebildete und kriegserfahrene Soldaten einen hohen Wert. Deshalb wurden sie so lange wie möglich in der Truppe gehalten. Nur wenige konnten jedoch die Rolle eines ehrwürdigen Vorbilds für die jungen Rekruten erfüllen. Die meisten waren traurige Gestalten, die lediglich aus sozialen Gründen bei der Truppe belassen wurden. Veteranen, die nicht mehr in der Lage waren, Posten zu verrichten, erhielten eine monatliche Unterhaltsbeihilfe von 1 Taler aus der Invalidenkasse. Nach dem Ende des zweiten Schlesischen Krieges gab Friedrich II. die Anweisung zum Bau von Invalidenhäusern in Berlin, Stolp und Carlshafen für ausgediente, kriegsinvalide Soldaten. Am 15. November wurde das Invalidenhaus in Berlin eröffnet. In dieser Einrichtung waren insgesamt Plätze für 631 Personen, davon 13 Offiziere und 126 Frauen, vorgesehen. Aufgabe der Invalidenhäuser war es, kriegsbeschädigten Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften ein Unterkommen, Verpflegung, Kleidung und ärztliche Betreuung kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Invalidenhäuser hatten ein ausgesprochen militärisches Gepräge, so hatten die Invaliden neben Wachdiensten auch außerhalb des Dienstes Uniform zu tragen. Die dienstuntauglichen Offiziere erhielten bei Bedürftigkeit Gouverneur- oder Kommandantenposten in den Festungen. Fehlten freie Stellen, zahlte der König den Generälen eine einmalige Pension von 1.000 bis 2.000 Talern, Stabsoffizieren einige hundert, Kapitänen und Leutnanten weit weniger. Ein Anspruch darauf bestand allerdings nicht. Jede Versorgung war reine Gnadensache. Um die Not der häufig mittellosen Witwen mit oft zahlreichen Kindern zu lindern, ließ Friedrich aktive Offiziere deren Patenschaft übernehmen oder stellte die Söhne bei entsprechendem Alter vorrangig in die Armee ein. Friedrich Wilhelm I. sorgte durch das von ihm im Jahre 1724 gestiftete Militärwaisenhaus für die zahlreichen Kriegswaisen. Dieses war zunächst nur für die Kinder seines Leibregimentes, der Langen Kerls, gedacht. Später fanden dort auch die Kinder anderer Soldaten Unterkunft und der Platzbedarf wuchs, so dass das Haus bereits 1742 erweitert und 1771 durch einen Neubau ersetzt werden musste. Im Jahre 1758 beherbergte das Haus 2.000 Waisen. Lebensverhältnisse der Armeeangehörigen in der neupreußischen Armee (1807–1919) Verdienst und Unterhalt (um 1900) Das Einkommen (Löhnung) der Mannschaften und Unteroffiziere bestand aus der Löhnung, Brotgeld, dem Beköstigungsgeld und der Bekleidung und Wohnung mit Heizung, Beleuchtung usw. In besonderen Fällen wurde hierfür eine finanzielle Entschädigung gezahlt. Dazu kamen kostenlose ärztliche Behandlung und Arzneien. Verheiratete Unteroffiziere bekamen auch für ihre Familie kostenlose ärztliche Behandlung und Arzneien. Einige Unteroffiziere (wie zum Beispiel Wallmeister, Zeugfeldwebel) bekamen auch ein Gehalt. Verdienst der einzelnen Dienstgrade im Detail (um 1900) Dienstgrad Gehalt oder Löhnung Beköstigungsgeld bzw. Servis Wohnungsgeldzuschuss Mannschaften und Unteroffiziere – Löhnung monatlich in Mark Gemeine 6,60 ca. 9,— Unterkunft wird gestellt Gefreiter 8,10 ca. 9,— Unterkunft wird gestellt Unteroffizier 21,60 ca. 13,— Unterkunft wird gestellt Sergeant 32,10 ca. 13,— Unterkunft wird gestellt Vizefeldwebel 41,10 ca. 13,— Unterkunft wird gestellt Feldwebel 56,10 ca. 13,— Unterkunft wird gestellt Offiziere – Gehalt jährlich in Mark Zeugfeldwebel (kein Offizier, aber Gehaltsempfänger) 1.104,— bis 1.404,— 300,— Dienstwohnung Leutnant 900,— bis 1.188,— 288,— bis 420,— 216,— bis 420,— (unverheiratete Leutnante 6,— Tischgeld) Hauptleute und Rittmeister II. Klasse 2.700,— 432,— bis 972,— 360,— bis 900,— Hauptleute und Rittmeister I. Klasse 3.900,— 432,— bis 972,— 360,— bis 900,— Stabsoffiziere (kein Regimentskommandeur) 5.850,— 594,— bis 1.314,— 540,— bis 1.200,— Stabsoffiziere (als Regimentskommandeur) 7.800,— 594,— bis 1.314,— 600,— bis 1.500,— Kommandierender General 12.000,— 1.188,— bis 2.520,— Dienstwohnung mit Einrichtung Dazu im Vergleich: 1910 verdiente ein Metallarbeiter (Dreher, Schlosser, Eisenbieger, Schleifer usw.) wöchentlich zwischen M 20,– bis M 40,–. 10,00 M würde heute einer Kaufkraft von 54,49 Euro entsprechen. Lebensumstände des Offiziers Die finanziellen Verhältnisse der unteren Offiziersdienstgrade waren ausgesprochen karg. Die Leutnante waren auf Zulagen von zu Hause angewiesen. Je nach Exklusivität des Regiments und des daraus resultierenden Lebensstiles waren Zulagen von M 50,– bis M 200,– monatlich nötig. Von seinem Gehalt konnte ein Leutnant nicht leben. Dies sorgte natürlich auch für eine soziale Auswahl, der angehende Offizier musste aus Verhältnissen kommen, die es sich leisten konnten, die Offiziere zu bezuschussen. Im Regelfall vergingen bis zur Beförderung zum Hauptmann rd. 10 Jahre, die nächste Beförderung zum Major dauerte dann noch einmal rd. 15 Jahre. Die wenigsten Offiziere schafften es bis zum Stabsoffizier, sondern verließen vorher das Heer, was jederzeit problemlos möglich war, da es keine Verpflichtungszeiten gab. Für eine Ehe wurde ein Jahreseinkommen von wenigstens M 4.000,– als notwendig angesehen, was erst der Hauptmann erreichte. Vorher konnte der Offizier nur heiraten, wenn die Braut genügend Geld mit in die Ehe brachte. Um zu heiraten, musste die „Heiratserlaubnis“ vorliegen, die vom Vorgesetzten erteilt wurde. Die finanzielle Frage spielte bei der Erteilung der Heiratserlaubnis eine wichtige Frage, genauso wie die Herkunft der Braut. Erst ab Hauptmann aufwärts wurden die Offiziersgehälter denen der höheren Beamten vergleichbar. Militärische Ausbildung, Alltag und Rekrutierung Jedes Armeekorps hatte seinen eigenen Ersatzbezirk, um seinen Personalbedarf zu decken. Die allgemeine Wehrpflicht hat sich aus heutiger Sicht als Integrationsfaktor bewährt. Mit rund 200.000 bis 300.000 jährlich eingezogenen Männern wurden längst nicht alle Wehrpflichtigen gezogen. Die jungen Männer erlebten eine Organisation mit großer Disziplin, in der versucht wurde, Gerechtigkeit zu praktizieren, wenn auch nicht immer mit Erfolg. Unzulänglichkeiten und einzelne Übergriffe wurden sogar im Reichstag diskutiert und die obere Führung war bemüht, drastisch durchzugreifen. Die Menschenführung war aber deutlich besser als zu Zeiten vor den Reformen der Befreiungskriege und auch vielen ausländischen Heeren in ihrer Zeit voraus. Der Dienst im Heer wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts deutlich attraktiver, und so meldeten sich 1912 bereits 64.000 Männer freiwillig zum Dienst. Die Masse der Unteroffiziere ging aus den Reihen der Kapitulanten hervor, Wehrpflichtigen, die ihren zweijährigen Wehrdienst freiwillig um ein Jahr verlängert hatten. Ein Aufstieg zum Offizier war in der Regel nicht möglich, so dienten die meisten zwölf Jahre und wechselten dann wegen fehlender Aufstiegsmöglichkeiten in die zivile Verwaltung. Bei dem Offiziersnachwuchs wurde immer mehr auf nichtadlige Bevölkerungsschichten zurückgegriffen. Voraussetzung war in Preußen für den Offiziersbewerber die Primareife, vor dem Ersten Weltkrieg hatten aber bereits 2/3 der Offiziersbewerber das Abitur. 1913 waren 70 % der Offiziere bürgerlicher Abstammung. Das Offizierskorps gewann in Preußen nach 1815 eine dominierende gesellschaftliche Stellung, so dass das Bürgertum den Lebensstil der militärischen Elite nachahmte. Jeder Offizier war verpflichtet, die „Standesehre“ zu wahren und zu verteidigen. Die Standesehre beinhaltete Treue gegenüber dem Monarchen und Volk und Vaterland, das „preußische“ Pflichtbewusstsein unter dem Überbegriff des „Dienens“, aber auch Treue nach unten, eine persönliche Fürsorgepflicht für seine Untergebenen. Diese Standesehre führte zu einem homogenem, geschlossenen Offizierskorps, welches über einheitliche konservative Normen und Wertvorstellungen verfügte. Wehrpflicht (Stand um 1900, abgesehen von kleinen Änderungen für den gesamten Zeitraum seit den Befreiungskriegen gültig.) Jeder Preuße, sofern tauglich, war vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahr wehrpflichtig. Jeder Wehrpflichtige konnte vom 20. bis zum 39. Lebensjahr zum Dienst in Heer oder Marine herangezogen werden. Die Dienstpflicht zerfiel in die aktive Dienstpflicht, die Reservepflicht, die Landwehrpflicht und die Ersatz-Reserve-Pflicht. Wer keiner dieser Kategorien angehörte, gehörte zum Landsturm. Die preußischen Wehrdienstarten im Detail Wehrdienstart Beschreibung Aktive Dienstpflicht Dauer: bei der Infanterie und allen übrigen Truppen 2 Jahre; bei der Kavallerie und der reitenden Artillerie 3 Jahre; beim Train 1 oder 2 Jahre und bei der Marine 3 Jahre. Einjährig-Freiwillige Junge Männer mit dem Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung oder welche eine Prüfung bestanden und die in der Lage waren, sich selbst einzukleiden, konnten ihrer Dienstpflicht als sogenannte Einjährig-Freiwillige genügen. Sie mussten sich zwischen dem vollendeten 17. und 20. Lebensjahr freiwillig melden. Die Prüfung erstreckte sich auf drei Sprachen (deutsch und zwei Fremdsprachen) sowie Geographie, Geschichte, Literatur, Mathematik, Physik und Chemie. Die Einstellung erfolgte zum 1. Oktober eines jeden Jahres, ausnahmsweise auch zum 1. April eines Jahres. Die Einjährig-Freiwilligen durften, sofern möglich, sich den Truppenteil selbst aussuchen und dienten nur ein Jahr. Die Einjährig-Freiwilligen wurden, sofern sie sich eigneten, zu Offizieren der Reserve und der Landwehr ausgebildet, ansonsten zu Unteroffizieren der Reserve und Landwehr. Reservepflicht Die aus dem aktiven Dienst entlassenen traten zur Reserve über. Die Reservepflicht dauerte so lange, bis zusammen mit der aktiven Dienstpflicht sieben Jahre erreicht waren. Während der Reserve waren sie zur Teilnahme an Übungen von acht Wochen Dauer verpflichtet. Ersatz-Reserve-Pflicht Es gab bei der Landwehr das erste und das zweite Aufgebot. Nach der Reserve traten sie zum ersten Aufgebot über. Bei bis zu zweijährigem aktivem Dienst dauerte die Dienstpflicht fünf Jahre, Männer die mind. drei Jahre aktiv dienten, verblieben nur drei Jahre im ersten Aufgebot. Die Männer des ersten Aufgebotes konnten zu Übungen herangezogen werden. Danach traten sie zum zweiten Aufgebot über. Die Landwehrpflicht endete am 31. März des Jahres, in welchem sie das 39. Lebensjahr vollendeten. Für diejenigen, die vor dem 20. Lebensjahr mit dem Dienst begonnen hatten, endete die Landwehrpflicht entsprechend früher. Landsturm Alle Personen vom 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahr, welche nicht zu den obigen Gruppen gehörten und wehrfähig waren, gehörten zum Landsturm. Übungen gab es in Friedenszeiten nicht. Jedes Armeekorps hatte einen eigenen Ersatzbezirk, aus welchem es seine Soldaten bezog. Lediglich das Gardekorps und die Marine hatten keinen eigenen Bezirk. Das Gardekorps bezog seine Soldaten aus allen preußischen Provinzen und einzelnen Bundesstaaten, die Marine aus dem ganzen Reich. Die Garde konnte sich die geistig und körperlich besten Wehrpflichtigen aussuchen mit mind. 1,70 m Körpergröße. Von den Garderekruten musste mind. die Hälfte mindestens 1,75 m groß sein. Der Wehrdienst begann im Oktober eines jeden Jahres. Die Vereidigung erfolgte, nach dem Verlesen der Kriegsartikel und Vorbereitung durch Geistliche, konfessionsweise in den Kirchen oder Synagoge, mit der Hand auf der Fahne oder bei der Artillerie auf der Kanone. Jeder Bundesstaat hatte eine eigene Eidesformel. Die Vereidigung erfolgte auf den jeweiligen Landesherrn und den Kaiser. Elsässer und Lothringer wurden nur auf den Kaiser vereidigt. Leisteten Wehrpflichtige in einem anderen Bundesstaat ihren Wehrdienst ab, leisteten sie den Eid ihres eigenen Bundesstaates mit Belehrung, dem Landesherrn ihres Truppenteiles ebenfalls verpflichtet zu sein. Es gab die Möglichkeit, sich freiwillig zu zwei-, drei- oder vierjährigem aktiven Dienst zu melden. Auch konnte der Wehrdienst freiwillig verlängert werden, diese Freiwilligen hießen dann Kapitulanten, aus ihnen wurden bevorzugt die Unteroffiziere rekrutiert. Verhältnis zwischen Armee und Zivilgesellschaft (1644–1871) Zur Zeit der altpreußischen Armee (1644–1806) Bis zur Einführung des stehenden Heeres 1644 war das Verhältnis zwischen Armee und Zivilisten ähnlich schlecht wie in anderen Ländern zur damaligen Zeit. Die Angeworbenen hatten keine Bindung an das Land, das sie verteidigen sollten. Dadurch waren die eigenen Söldner mindestens genauso gefürchtet wie die Feinde, vor denen sie es schützen sollten. Nach der Einrichtung eines stehenden Heeres wurde das Ansehen der Soldaten nur langsam verbessert. Der Grund dafür lag in den großen Belastungen der Zivilisten. Sie waren es, die die finanziellen Belastungen zu tragen hatten und ständig von Zwangswerbungen bedroht waren. Allerdings wurde durch das stehende Heer die Disziplin der Soldaten verbessert und die Übergriffe auf Zivilisten verringerten sich. Durch die Einquartierung der preußischen Soldaten waren sie der Zivilbevölkerung näher als die Soldaten anderer Armeen. Die Abkapselung der Soldaten fand erst durch die Errichtung und Einquartierung der Soldaten in ummauerten Kasernen ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts statt. Durch das Kantonssystem war eine Trennung zwischen Zivilisten und Militär nur schwer möglich gewesen, da die preußischen Soldaten in der Zeit des 18.Jahrhunderts in Friedenszeiten nur zwei Monate im Jahr zum Dienst verpflichtet waren. In der Zeit von 1644 bis nach Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 gab es noch keine strukturellen Konfliktpunkte zwischen Zivilisten und Militär. Die Auseinandersetzungen, die stattfanden, waren persönlicher Natur. Ab den 1770er Jahren gab es vermehrt Kritik aus dem Bildungsbürgertum. Gründe waren insbesondere die niedere soziale Herkunft der Mannschaften, die ausgeklügelten Vorkehrungen gegen Desertionen und das mittlerweile als barbarisch empfundene Strafsystem. 1795 wurde aufgrund dieser Kritik, die mittlerweile auch von Offizieren geäußert wurde, eine Kommission eingesetzt. U.a. forderte der Stabsoffizier v. Boyen (später Kriegsminister und Reformer) eine Abschaffung der entehrenden Körperstrafen und Sold- und Broterhöhungen. Diese wurde von der Kommission auch anerkannt. Friedrich der Große verstärkte den Anteil des Adels im preußischen Offizierskorps, da er von ihrem besonderen tadellosen Geist überzeugt war. Bis dahin gab es auch vielfach bürgerliche Offiziere in der Armee (zum Beispiel Derfflinger). Diese Veränderung der Offiziersstruktur wirkte sich auch auf die soziale Entwicklung und der Klassenstruktur der preußischen Gesellschaft aus. Mit der Verdrängung der bürgerlichen Offiziere setzte die Abkapselung der Armee von der Gesellschaft ein. Die Bezeichnung der preußischen Armee als Staat im Staat wurde von dieser Zeit an Wirklichkeit. Das Offizierskorps (gleichzeitig auch die Elite im Staat) bildete eine fest abgeschlossene mit festen Grenzen versehene Einheit. Ebenso bildeten sie den späteren Hort der Reaktion im 19. Jahrhundert. „Die preußische Monarchie ist nicht ein Land, das eine Armee hat, sondern eine Armee, die ein Land hat, in welchem sie gleichsam nur einquartiert steht“ – (Mirabeau) Die Rolle des Volkes im 18. Jahrhundert beschränkte sich darauf, für die Versorgung der Armee, also die Ausstattung mit Nahrungsmitteln, Uniformen, Geld, Wohnraum für die Soldaten und natürlich für Rekrutennachschub zu sorgen. 1806 bestand das Offizierskorps aus 7.000 Offizieren. 6.300 davon entstammten den Adel. Während der Napoleonischen Zeit (1807–1815) Die Grundüberlegungen der preußischen Reformer waren nicht originär in Preußen, sondern fanden auch in anderen deutschen Staaten, wie in Österreich, Bayern und den Rheinbundstaaten statt. Allerdings musste in Preußen mehr gegen den Widerstand des Adels gerungen werden, dafür waren die Reformen dann dauerhafter als in anderen Ländern und wurden 1814 Bestandteil der preußischen Heeresverfassung. Nach der Niederlage 1807, bis nach den Befreiungskriegen, entwickelte sich die bis dahin nach außen geschlossene Armee zu einer Volksarmee, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Bis 1806 setzte sich die Armee aus den Wehrpflichtigen der nicht-allgemeinen Wehrpflicht (Kantonreglement) und den nichtpreußischen geworbenen Söldnern zusammen. Im Zuge der Reformen wurden die Ungerechtigkeiten bei der Rekrutierung durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht beseitigt. Unter anderem deswegen entstand in dieser Zeit eine Volksarmee, bei der für alle Männer die gleichen Maßstäbe galten. Das Ziel der preußischen Reformer war es, das Volk durch den Dienst in der Armee zu einem neuen vaterländischen Geist zu erziehen. Der Bürger sollte den Staat und seine Strukturen und Prinzipien (und damit auch die Armee) „innerlich“ und freiwillig annehmen. Im Reglement am 6. August 1808 wurde folgendes erlassen (Brechung des Adelsprivilegs): „Einen Anspruch auf Offiziersstellen sollen von nun an in Friedenszeiten nur Kenntnisse und Bildung gewähren, in Kriegszeiten ausgezeichnete Tapferkeit und Überblick. Aus der ganzen Nation können daher alle Individuen, die diese Eigenschaft besitzen, auf die höchsten Ehrenstellen im Militär Anspruch machen. Aller bisher stattgehabte Vorzug des Standes hört beim Militär ganz auf und jeder hat gleiche Pflichten und gleiche Rechte.“ Von diesem Zeitpunkt an erhöhte sich der Anteil der Bürgerlichen im Offizierkorps bis auf 70 % Anfang des Ersten Weltkrieges. Auch außerhalb des Militärs wurden die Standesschranken zwischen Adel, Bürgertum und Bauernschaft sowie die „Gutsunterthänigkeit“ aufgehoben und die Beteiligung der Bürger an der Selbstverwaltung der Städte eingeführt. Dies waren wichtige Voraussetzungen, für ein „Volk in Waffen“. In der Verfassung der Reserve-Armee hieß es 1807: „Alle Bewohner des Staates sind geborne Verteidiger desselben“. Die preußische Regierung kündigte 1808 an, dass auch Männer aus dem Bürgertum eingezogen werden können. Da der gemeine Soldat bis dahin „keine bürgerliche Ehre besaß“, lehnte das Besitz- und Bildungsbürgertum dies ab. Die Hoffnung der Reformer, dass das Bürgertum seine Einstellung bis zu den Planungen bis 1810 geändert haben würde, waren Illusion. Erst 1812/13, nach jahrelangem Druck der französischen Willkürherrschaft, begann im Bürgertum der Wille zum militärischen Widerstand die früheren Vorbehalte zu überwiegen. Allerdings spielten auch Zugeständnisse des Königs eine Rolle. Wer in der Lage war, sich selbst einzukleiden und zu bewaffnen, konnte mit weitreichenden Privilegien bei den Jägern dienen. Auch der Adel wandte sich gegen die Öffnung für Bürgerliche, weil er um sein Anrecht auf die Besetzung von Offiziersstellen fürchtete. Vom Wiener Kongress bis zur Revolution von 1848 (1815–1849) Nach dem Wiener Kongress standen sich in Preußen zwei Lager gegenüber. Auf der einen Seite die Reformer wie der Kriegsminister Boyen, die ein modernes Volksherr auf Milizbasis schaffen wollten und dazu das Bürgertum gewinnen mussten. Das Offizierskorps sollte sich, dem liberalen Zeitgeist entsprechend, aus dem Bürgertum rekrutieren, sozial angesehen sein und ein hohes militärfachliches und allgemeines Wissen haben. Auf der anderen Seite standen der König und der Adel. Der König fürchtete um seinen Einfluss auf die Streitkräfte und lehnte eine „Außenkontrolle“ ab. Auch der Adel stand den Reformen ablehnend gegenüber, weil er um seine Privilegien und Sonderstellung im Staate fürchtete. Die folgenden Auseinandersetzungen drehten sich um die beiden Gegensätze liberales Volksheer oder diszipliniertes Kampfheer, welches in der Gesellschaft einen besonderen Stand einnimmt. Dies spitzte sich in der Kontroverse zu, ob die Armee an die Verfassung gebunden sei oder an den König und auf wen der Eid abgelegt werden soll.