Markus Lüpertz
Markus Lüpertz 2014
Markus Lüpertz (* 25. April 1941 in Reichenberg ) ist ein deutscher Maler , Grafiker und Bildhauer .
Er zählt zu den bekanntesten deutschen Künstlern der Gegenwart. Seine
Bildgegenstände zeichnen sich durch suggestive Kraft und archaische
Monumentalität aus.[1]
Lüpertz dringt darauf, den Darstellungsgegenstand mit einer
archetypischen Aussage seines Daseins festzuhalten. Viele seiner Werke
werden dem Neoexpressionismus zugeschrieben. Von 1988 bis 2009 war Lüpertz Rektor an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf . In der Öffentlichkeit zeigt er sich als exzentrischer Maler, der seinen eigenen Geniekult betreibt.
Inhaltsverzeichnis - 1 Leben
- 1.1 Kindheit und Ausbildung
- 1.2 Westberliner Bohème
- 1.3 Lehrtätigkeit in Karlsruhe
- 1.4 Düsseldorfer Rektorat
- 1.5 Der Maler als Freigeist
- 2 Werke (Auswahl)
- 2.1 Malerei
- 2.2 Skulpturen
- 2.3 Kirchenfenster
- 3 Ausstellungen und Museen
- 4 Kritik am Werk
- 5 Ehrungen und Mitgliedschaften
- 6 Veröffentlichungen
- 7 Literatur
-
- 9 Einzelnachweise
Leben Kindheit und Ausbildung Abtei Maria Laach
Als Kind siedelte Lüpertz 1948 mit der Familie aus der Tschechoslowakei nach Rheydt
im Rheinland über. Aus einer Lehre als Maler von Weinflaschenetiketten
wurde er wegen mangelnden Talents entlassen. Sein zweiter Lehrherr, ein
Gebrauchsgraphiker, ging pleite. Lüpertz studierte von 1956 bis 1961 an
der Werkkunstschule Krefeld bei Laurens Goosens, dann folgte ein Studienaufenthalt im Kloster Maria Laach . Dort beschäftigte er sich unter anderem mit einem Kreuzigungsbild und verbrachte eine „fanatisch religiöse Zeit“.[2] Er arbeitete während seines Studiums zwischenzeitlich unter anderem im Bergbau unter Tage, im Straßenbau , und war ein Semester lang an der Kunstakademie Düsseldorf .
Der kurze Akademiebesuch endete als „riesiges Fiasko“, ein Professor
hätte „beinahe gekotzt“, weil Lüpertz Cowboys am Lagerfeuer malte.[2] In einem Radio-Interview mit dem Sender SWR1 in der Sendung Leute am 4. Oktober 2013 erzählte Markus Lüpertz, eine „physische Auseinandersetzung, die sehr eskalierte“ habe damals zu seiner Exmatrikulation
an der Düsseldorfer Kunstakademie geführt. „Als Ungeliebter, als
Verstoßener bin ich aus diesem Haus gewiesen worden“, beurteilte Lüpertz
rückblickend diese „peinliche Niederlage“ seiner Studentenzeit.[3] Seit 1961 war er in Düsseldorf als freischaffender Künstler tätig.
Westberliner Bohème Lüpertz suchte zunächst das Abenteuer und verpflichtete sich bei der französischen Fremdenlegion . Aus dieser desertierte er aber schon nach wenigen Monaten, noch bevor er nach Algerien abkommandiert werden konnte.[4]
1962 zog er nach West-Berlin, wodurch ihm der Wehrdienst erspart blieb.
In Berlin begann er seine eigentliche malerische Laufbahn. Dort
gründete er 1964 zusammen mit Karl Horst Hödicke , Hans-Jürgen Diehl , Wolfgang Petrick , Peter Sorge und elf weiteren Künstlern die Selbsthilfegalerie Großgörschen 35 . Die 68er-Bewegung blieb ihm trotz einschlägiger Begegnungen an den Treffpunkten der Westberliner Bohème, unter anderem in der Kneipe Zwiebelfisch am Savignyplatz , innerlich fremd.[5] 1969 zeigte der Baden-Badener Kunsthallendirektor Klaus Gallwitz Werke von Lüpertz in seiner Talentschau 14 × 14 . 1970 erhielt Lüpertz den Preis der Villa Romana
und verbrachte im Rahmen des damit verbundenen Stipendiums ein Jahr in
Florenz. In Italien waren damals nicht nur die Kunst und die Architektur
des Faschismus
überall gegenwärtig. Auch die Kinofilme suchten die Auseinandersetzung
mit dem nationalsozialistischen Deutschland, während in der
Bundesrepublik die Zeit des Dritten Reichs noch weitgehend verdrängt
wurde.[6] 1974 organisierte Lüpertz die 1. Biennale Berlin. Im Jahr darauf veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband 9 × 9 .
„ich bitte euch, lasst mich leben
verachtet die kleinkinder unseres berufes,
die amateure, die mitmacher, die frömmler
liebt den boheme, ich bin ein boheme, liebt mich
[…]“
– Markus Lüpertz (1973)[7]
Lehrtätigkeit in Karlsruhe Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe (Hauptgebäude)
Nach einer Tätigkeit als Gastdozent 1973 nahm er 1974 die Professur für Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe an.[8] Die Gedichtsammlung „Und ich, ich spiele …“ veröffentlichte Lüpertz 1981, im folgenden Jahr legte er die Gedichtsammlung Ich stand vor der Mauer aus Glas vor. 1983 übernahm er eine Professur an der Sommerakademie in Salzburg. Einen Amerikaaufenthalt verarbeitete er in seinem Tagebuch New York 1984 , im selben Jahr erschien auch Bleiben Sie sitzen Heinrich Heine . Bis 1986 war er Professor in Karlsruhe. Welche Bedeutung diese Jahre für ihn hatten, beschrieb er später in einem Gedicht:
„Karlsruhe war für mich die erste Freiheit
Das dunkle Berlin bestimmte mein Leben
Die kalten Nächte und ungeheizten Ateliers
Die große Straße, die Eckkneipe, die Ruhmlosigkeit
[…]
Und Karlsruhe lockte mich, den Dreißigjährigen
Und die Stadt und die Möglichkeiten knipsten das Licht an
Wärmten mich mit südlichem Charme
Und idyllischen Plätzen […]“
– Markus Lüpertz[9]
Düsseldorfer Rektorat Kunstakademie nördlich der Düsseldorfer Altstadt
Flur der Kunstakademie
1986 veröffentlichte Lüpertz Texte zu Camille Corot unter dem Titel Hommage à Prévost, Berthe Morisot und Trouillebert . Im selben Jahr erhielt er eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf,[10]
1988 wurde er zu ihrem Rektor berufen. Er leitete in einer langen
Amtszeit von über 20 Jahren eine der bedeutendsten deutschen Akademien,
keine andere hat so viele Documenta-Teilnehmer hervorgebracht.[11] Er besetzte offene Stellen an der Akademie mit international bekannten Künstlern. Dazu zählten beispielsweise A. R. Penck , Jannis Kounellis , Rosemarie Trockel , Jörg Immendorff , Jeff Wall , Georg Herold , Albert Oehlen , Tal R , Peter Doig und Tony Cragg .
Lüpertz hat als Rektor trotz zahlreicher Hochschulreformen den Erhalt
des Klassensystems für die Düsseldorfer Akademie und alle
Kunsthochschulen Deutschlands durchgesetzt.[12] Zur Biennale in Venedig 1993 wurde Lüpertz zusammen mit Georg Baselitz und Anselm Kiefer
in den deutschen Pavillon eingeladen. Er überließ seinen Platz den
anderen Künstlern, um auszustellen, wenn er zu einer Einzelpräsentation
eingeladen würde.[13] Walter Grasskamp charakterisierte Lüpertz:
„Seine gewinnende Freigiebigkeit ist daher nicht ohne doppelten
Boden; wer von ihm beschenkt wird, ahnt, zugleich jovial beleidigt
worden zu sein, würde letzteres aber auch kaum übelnehmen können. Denn
es ist schwer, sich dem poltrigen Charme, der spielerischen
Aggressivität und der durchtrainierten Eitelkeit dieses betriebsamen
Dogmatikers zu entziehen, der es schätzt, wenn man ihn unterschätzt,
weil es ein weiterer Anreiz ist, seine Stärken unter Beweis zu stellen –
und sei es auch nur auf die degoutante Art einer handfesten Schlägerei,
die sein Gegenüber keineswegs schont.“
– Walter Grasskamp 1995[14]
Im Jahr 2005 räumte Lüpertz seine Düsseldorfer Werkstatt frei, um dort zum 60. Geburtstag seines erkrankten Malerfreundes Jörg Immendorff
eine Feier zu veranstalten. Auch mit anderen Kollegen wie Baselitz,
Kiefer und A. R. Penck pflegt er freundschaftlichen Umgang. Seine
Position in diesem Künstlerkreis beschrieb Lüpertz: „Nehmen wir
Baselitz. Ich habe ihm mal gesagt: Georg, du bist der größte lebende
Maler, den ich kenne. Aber das Genie bin ich. Infolgedessen kann ich
damit blendend leben. Deswegen kann ich mich auch über jeden Erfolg
meiner Kollegen freuen.“ [15]
Gegen Ende seines Rektorats wurde Lüpertz vorgeworfen, er habe es
versäumt, eine zweite Foto-Klasse an der Düsseldorfer Akademie
einzurichten und damit die neuen Medien im Vergleich zu den
traditionellen Fächern Skulptur und Malerei vernachlässigt.[16] Im Juni 2009 wurde Lüpertz verabschiedet, sein Nachfolger als Rektor wurde Tony Cragg.
2009 wurde Lüpertz in die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste gewählt.
Seit 2014 ist er Dozent an der Akademie der Bildenden Künste an der Alten Spinnerei .
Der Maler als Freigeist Lüpertz lebt und arbeitet in Berlin , Karlsruhe , Düsseldorf und Florenz . Sein Atelier hat er in Teltow . Er ist verheiratet und hat fünf Kinder.[17] Lüpertz konvertierte zum katholischen Glauben.[18]
„Gott ist für mich als Katholik die Projektion alles Guten, alles
Wissens. Alles, was wir uns zusammengetragen haben an Sein, bis hin zu
den wunderbaren Geschichten in der Bibel. Deswegen ist die Religion
wichtig, weil sie den Glauben verlangt an Ideale, Ungereimtheiten,
Unglaubwürdiges. An diesen großen Traum zu glauben, so unrealistisch er
ist, finde ich wunderbar. […] Schauen Sie sich doch nur die Kirche an,
allein die Deckengemälde, die Mosaiken, die Glasfenster. Die katholische
Kirche ist für mich die bildnerisch Aufregendste. Das Hausgemachte, das
Eingemachte, das Selbsterfundene, das Selbstbetriebene ist die
katholische Kirche, und die Menschen waren bereit, daran zu glauben.
Jetzt haben wir das Gegenteil […]“
– Markus Lüpertz 2006[19]
Neben seiner Tätigkeit als Maler und Bildhauer widmet sich Lüpertz dem Free Jazz , unter anderem am Klavier. Gelegentlich gibt er Konzerte zusammen mit professionellen Musikern.[20] Er gibt die von ihm gegründete Kunst- und Literaturzeitschrift Frau und Hund
heraus, in der er auch eigene Lyrik und Prosatexte veröffentlicht.
„Abseitige Texte mit abstrusen Privatphilosophien finden sich ebenso wie
originelle Beiträge nicht ohne Anmut und Witz.“[21]
Auch auf seine körperliche Leistungsfähigkeit achtet Lüpertz. Er macht
jeden Morgen Liegestütze und fährt mit dem Rennrad. Bis 2006 spielte er
in seiner eigenen Mannschaft „Lokomotive Lüpertz“ Fußball, was er dann
aber wegen eines Autounfalls aufgab; er war beim Fahren eingeschlafen.
Lüpertz plante in der ehemaligen Villa des Bankiers Henckel am Pfingstberg in Potsdam eine private Kunstakademie. Im Herbst 2010 sollte der Studienbetrieb der Akademie Souci GmbH Markus Lüpertz Potsdam eröffnet werden.[22] Das Projekt sagte Lüpertz ab.[23] Auf die Frage, wie man sich selbst erfindet, antwortete Lüpertz:
„Man schaut in den Spiegel und prüft ein paar Dinge: In welcher
Familie stecke ich drin, inwieweit bin ich von diesen Geschichten
abhängig, bin ich abhängig von dem, was der Vater war, wurde ich geliebt
oder nicht geliebt? Man registriert ein paar Verletzungen und auch das
Glück, auch die guten Sachen. Und dann beschließt man, unabhängig zu
sein, damit fängt es an. Man schließt einen Pakt mit sich selbst: Man
will nicht mehr hässlich sein, man will nicht mehr dick sein, man will
nicht mehr dumm sein, man will nicht mehr der Junge sein, der wenig Geld
hatte. Man erfindet Vorteile selbst. So entschloss ich mich, ein
schöner Mann zu sein und ein Genie. Ich trainierte meinen Körper und
meinen Geist. Ich musste mir alles selbst erobern, die Entscheidungen
eines freien Geistes.“
– Markus Lüpertz 2006[19]
Werke (Auswahl) Das Urteil des Paris (Teil)
Das Urteil des Paris (Teil)
Der gestürzte Krieger
Daphn e
Malerei Markus
Lüpertz schuf um 1960 die ersten Gemälde. Im Gegensatz zu den
vorherrschenden abstrakten Tendenzen in der Malerei seiner Zeit
gestaltete der junge Lüpertz einfache gegenständliche Motive in
expressiver Manier. Seine frühen Werke zeigen häufig eine kraftvolle
Bildwelt mit monumentalen Darstellungen gegenständlicher Formen. Das
Ende der Malerei war seit dem Beginn der Moderne
mehrfach ausgerufen worden, trotzdem hielt Lüpertz an seinem Metier
fest. In seiner Malerei verband er Widersprüchliches. Als spürbaren
Zwiespalt nahm er den Zweifel der Moderne an der Tradition in seine
Bildkonstruktionen hinein und suchte den Weg aus der damals
übermächtigen Abstraktion . 1962 entwickelte er in Berlin seine „dithyrambische Malerei“ und begann die Mickey Mouse-Serie sowie ein Jahr später die Donald Duck-Serie .
„Es fing 1962 an mit den ersten Bildern wie der Mickey Mouse-Serie, die noch jene aus dem Tachismus
sich entwickelnde, ungebrochene Farbigkeit hatten. Sie setzten sich mit ihrer Zeit auseinander, indem
sie Farbigkeit, Wiederholbarkeit und Banalität von Comics übernahmen. Damit waren sie kein vom
Intellekt gesteuertes Informel, sondern sie spielten mit der Vordergründigkeit der Comics. […] Diese
Bilder sprachen durch Kontraste und wandten sich gegen jede Form von Dreidimensionalität.“
– Markus Lüpertz 1989[24]
1964 folgte anlässlich der Eröffnung der Galerie Großgörschen 35 die Ausstellung Dithyrambische Malerei . Den Begriff entnahm er den Dionysos-Dichtungen Friedrich Nietzsches . Die Dithyrambe ist vom griechischen Dithyrambus abgeleitet. Es handelt sich um ein leidenschaftlich erregtes, stürmisches Loblied auf den Gott Dionysos .
In übertragener Bedeutung meint es einen begeisterten Lobgesang. Bei
der Dithyrambe geht potenziell alles ineinander über, es gibt nichts
Isoliertes. Lüpertz verbindet die Gegensätze von Gegenständlichkeit und
Abstraktion zu einer Synthese. Er lässt abstrakte tektonische Gebilde im
Bildraum schweben. In seinen dithyrambischen Bildern sieht man den
Rausch und den Realismus. Die Kunst soll als großer,
apollinisch-disziplinierter Rausch erlebt werden. Das malerische
Universum sieht Lüpertz von einem durchgängigen Rhythmus geprägt, dem
sich alles unterordnet. Zwei Jahre später erschien Kunst, die im Wege steht. Dithyrambisches Manifest , dem 1968 ein zweites Manifest unter dem Titel Die Anmut des 20. Jahrhunderts wird durch die von mir erfundene Dithyrambe sichtbar gemacht folgte.
„Die Anmut des 20. Jahrhunderts wird durch die von mir erfundene
Dithyrambe sichtbar gemacht. Der Farbe keine Chance einräumen zu
vertuschen, sich in den Vordergrund zu schieben oder Sand in die Augen
zu streuen. Nichts darf vertuscht werden, alles soll sichtbar bleiben,
die Ehrlichkeit ist gefordert. Die schöne Farbe ist gefährlich, da sie
hilft.“
– Markus Lüpertz 1965[25]
Unter dem sich ausbreitenden Wirtschaftswunderwohlstand in den 1960er Jahren blieben Angst und Todesbewusstsein als Nachhall des Krieges im Werk Lüpertz hörbar.[26] 1969 bis 1977 malte er in Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte vorwiegend deutsche Motive ,
nämlich symbolträchtige Gegenstände wie Stahlhelme, Schaufeln, Fahnen
oder monumentale Geweihe in großen Formaten. Die Gemälde sind mit
erdigen Farben ausgeführt und thematisieren das nicht bewältigte
deutsche Nationalpathos. Es werden unheilvolle Erinnerungen an das Dritte Reich und den Nationalsozialismus
heraufbeschworen. Aber durch „die Verbindung mit amorphen Gegenständen
und einer offenen, malerischen Pinselführung werden die ehemaligen
Symbole der Macht ihrer Aura beraubt. Letztlich bleiben tote Klischees,
deren literarische Konnotationen vom Pinsel des Künstlers weggewischt
werden. Die Werke sind irritierend, ihr formales Pathos erweist sich als
Paradox der inhaltlichen Bedeutung.“[27] 1977 gab er dieses Sujet auf. Es folgte von 1977 bis 1984 die Phase der Stil-Malerei ,
die sich an der abstrakten Malerei der 1950er Jahre orientierte. Seine
Gemälde aus dieser Zeit sind von Motiven fast gänzlich befreit, das
Spiel mit flächen- und volumenbildenden Formen und der Reichtum an
malerischer Oberfläche werden fruchtbar genutzt.[28]
Diese Tendenzen enden zugunsten einer neuen Gegenständlichkeit und Räumlichkeit. In dieser Phase entstanden die Serienbilder ,
die er mit Zitaten aus der Kunstgeschichte betitelte. In dem
Werkabschnitt der Jahre 1985 bis 1990 widmete sich Lüpertz unter anderem
den von ihm verehrten Meistern Jean-Baptiste Camille Corot und Nicolas Poussin .
„Wenn Lüpertz sich auf Poussin beruft, bedeutet dies, neue Rhythmen für
den Bildkörper oder, wie Poussin sagte, das Tableau zu finden, die sich
danach erst inhaltlich deuten ließen. Nicht Realismus, sondern eine
strikte Künstlichkeit entsteht aus dieser Strategie, eine Malerei
parallel zur Natur und zur eigenen Zeit“.[29]
Zu seinen bekanntesten Werken gehört die von 1993 bis 1997 entstandene Bildfolge Männer ohne Frauen – Parsifal .
In dieser umfangreichen Serie hielt Lüpertz an einem einzigen Thema
fest: dem frontalen männlichen Gesicht, das häufig weinend dargestellt
wird. Parsifal verweist auf den Helden in der letzten Oper Richard Wagners ,
auf die weibliche Versuchung und Erlösung in einer Männerwelt. Zugleich
lässt sich das Thema mit der Einsamkeit des Malers im Atelier in
Zusammenhang bringen.[30]
Neuartig sind seine ab 1997 entstandenen Landschaftsbilder , die sich vom bisherigen Werk absetzen und durch eine flüchtigere Komposition auszeichnen. 1999 entstand der Zyklus Vanitas , im folgenden Jahr wurde der Zyklus Vesper erstmals gezeigt. Für das Foyer des neuen Bundeskanzleramts in Berlin schuf Lüpertz 2001 das Wandbild Die sechs Tugenden . Auf den monochromen Gemälden ist außer Farben nichts zu sehen. Lüpertz griff auf alte ikonologische Konzepte zurück, die den Herrschertugenden bestimmte Farben zuordneten. Maßgebliche Inspirationsquelle war dafür die Iconologia von Cesare Ripa .[31] Die farbigen Wände umgeben die Skulptur Die Philosophin .
Skulpturen Büste Hommage à Liebermann (Berlin 1997)
Adler im Sitzungssaal 04 des Bundesgerichtshofs , 2004–2005
Seit 1980 entwarf Lüpertz auch Bühnenbilder und Skulpturen. Für eine Nische in der Alten Oper in Frankfurt schuf er 1989 die Figur des Apoll ,
dessen angewinkelter rechter Arm auf die linke Schulter nach einem
Pfeil greift. Er wurde in einer Auflage von sechs Stück gegossen. In
Karlsruhe an der Bannwaldallee findet sich die Brückenskulptur Die Hässliche erschrickt die Schöne von 1990. In der Berliner Kantstrasse liegt Der gestürzte Krieger , die 3,00 m lange Bronze eines Gefallenen mit Helm und Schild. Der Park von Schloss Bensberg erhielt im Jahr 2000 ein Ensemble von drei Skulpturen. 2001 wurde die Bronze Die Philosophin im Foyer des neuen Berliner Bundeskanzleramts aufgestellt; es handelt sich um eine monumentale weibliche Skulptur von 1998.[32] „Lüpertz
gestaltete sie als Aktfigur und brachte dadurch die Ikonographie der
allegorisierten Philosophie mit der Allegorie der ‚nackten Wahrheit‘ in
überraschenden Kontakt“ .
Ebenfalls 2001 erhielt Lüpertz den Auftrag zu der Skulptur Daphne , die 2003 in einer Auflage von drei Exemplaren gegossen wurde. „Bei Lüpertz wird Daphne zur triumphierenden Heldin und Siegerin über Apoll . Das Thema beschäftigt den Künstler auch nach der Vollendung der Monumentalskulptur weiter. Die in Bronze gegossenen Bozzetti
zeigen das Verschmelzen von Skulptur, Malerei und Zeichnung und
repräsentieren damit die Überwindung gattungsspezifischen Schaffens und
künstlerischen Denkens. Ebenso verdichten sich die Motive in den
Zeichnungen zu den Daphne-Werkgruppen und den damit verknüpften Arbeiten
zum Thema Stand- und Spielbein zu komplexen, sich ins Räumliche
öffnenden Strukturen.“ [33] 2005 wurde von Lüpertz der Adler im Bundesgerichtshof in Karlsruhe angebracht und die Plastik Mozart – Eine Hommage in Salzburg aufgestellt.
Zwei Jahre später folgte der Mercurius vor dem Post Tower in Bonn und 2009 ein Apoll auf dem Elisabethenplatz in Bamberg . Die Laudatio bei der Enthüllung des 1,88 m hohen Apoll am 4. Mai 2009 hielt Gerhard Schröder ,
der mit Lüpertz befreundet ist. Zu Füßen des Apoll liegt eine kleine
Leier, an der er zu erkennen ist. Er ist ein Beispiel für Lüpertz’
Auseinandersetzung mit klassisch-antiken Gestaltungsprinzipien. Der Apoll
zeigt die Haltung Standbein-Spielbein. Die Bemalung der Bronze erinnert
ebenfalls an die griechische und römische Zeit. Zugleich zitiert
Lüpertz bei seinen Kunstwerken Gestaltungsprinzipien der kubistischen,
expressionistischen und afrikanischen Kunst. In seinen Skulpturen
spiegelt sich die Einfachheit des Archaischen wider, wobei Lüpertz
traditionellen Methoden verhaftet bleibt: Nur das Unbewusste könne neu
sein. Die Mittel der Darstellung sollen nach Lüpertz handwerklich
konventionell bleiben, da sonst dem Unbewussten der Raum genommen werde.
Lüpertz ließ deshalb fast alle Skulpturen in Bronze gießen. Dieses
Material komme dem Ausdruck des klassisch Schönen entgegen, obwohl seine
Figuren vordergründig teilweise zerstört und versehrt wirken. Es
verbinden sich das Dionysische mit dem Apollinischen, der Betrachter
ahnt die „göttliche Grausamkeit“, die im Archaischen noch in Einheit
gedacht wird.[34]
Herkules
„Es gibt keine bildende Kunst, die nicht irgendwann einmal in einem
Tempel zuhause war. Jeder Säulenstumpf ist der Anfang eines Baumes von
Munch, und der wiederum der Arm bei Beckmann.“
– Markus Lüpertz 2009[35]
Im Gelsenkirchener Nordsternpark wurde 2010 der 18 Meter hohe und 23 Tonnen schwere Herkules eingeweiht, den Markus Lüpertz auf einem Förderturm der einstigen Zeche Nordstern hat aufstellen lassen.[36] Die Skulptur entstand in über einjähriger Arbeit aus 244 einzelnen Aluminiumgussteilen, Haare und Bart des Herkules wurden blau eingefärbt. Der Nordsternturm und die Skulptur ragen über hundert Meter hoch in den Himmel.[37] Im Bonner Stadtgarten wurde 2014 auf einem ein Meter hohen Sockel eine 2,70 m hohe Bronzeskulptur Ludwig van Beethovens aufgestellt. Die Skulptur steht unmittelbar am Rhein in der Nähe jener Gasse, in der Beethoven seine Kindheit verbrachte.[38] Ein weiterer Guss der Beethovenstatue mit anderer Bemalung wurde im Dezember 2015 vor dem Museum der bildenden Künste in Leipzig enthüllt,[39] der einige Kritik hervorrief.[40]
Im Mai 2016 wurde in Duisburg , direkt am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr ,
eine sechs Meter hohe Bronze-Statue mit Namen "Echo des Poseidon"
eingeweiht. Die 11 Tonnen schwere Statue steht auf einem 4,5 Meter hohen
Sockel auf der Mercatorinsel an der Zufahrt zum Duisburger Binnenhafen.
[41]
Kirchenfenster Im kirchlichen Auftrag entwarf Lüpertz mehrere Glasfenster. 1989 bis 1990 schuf er Fenster für die französische Kathedrale Saint-Cyr-et-Sainte-Julitte in Nevers . 2007 wurden sieben Glasfenster für den Makkabäerchor im südlichen Querhaus der Kölner Dominikanerkirche St. Andreas vollendet, 2010 fünf Fenster im gegenüberliegenden nördlichen Marienchor fertiggestellt.[42] [43] Auch für Kirchenfenster in der Lübecker Marienkirche lieferte Lüpertz die Vorlagen.[44]
Im Juli 2012 stellte er Entwürfe für sieben Fenster der Dorfkirche in Landsberg-Gütz vor.[45]
Es handelte sich um eigenständige Ergänzungen schadhafter Fenster, die
aus dem frühen 20. Jahrhundert stammten und Porträts von Petrus, Paulus,
Martin Luther
sowie Melanchthon zeigten. Lüpertz schuf darüber hinaus zwei völlig
neue Darstellungen auf den Seitenfenstern, die vom Kirchenvorstand als
Themen Der Wiederaufbauer und Der Wegschauer vorgegeben waren. Sie beziehen sich auf die jüngere Geschichte des Ortsteils Gütz der Gemeinde Landsberg . Am Reformationstag des Jahres 2013 weihte die Gemeinde die neuen Kirchenfenster festlich ein.[44]
Im Jahr 2016 erhielt Lüpertz den Auftrag, zwei Fenster für die Evangelische Marienkirche in Lippstadt
zu gestalten. Es handelt sich um eine Ergänzung des teilzerstörten
Luther-Fensters aus dem Jahre 1883 sowie ein neu geschaffenes Fenster
anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformation“. Das
Reformationsfenster zeigt eine abstrakte Person und soll den Reformator
in jedermann symbolisieren. Das Fenster ist mit der Liedzeile „Der
Himmel geht über allen auf“ von Peter Janssens untertitelt. Die Fenster wurden am 12. November 2017 der Gemeinde offiziell vorgestellt.
Lüpertz bezeichnete es in diesem Zusammenhang als einen der
schönsten und beglückendsten Momente für einen Künstler, mit dem Licht
zu malen. Die Kirche sei ein Ort, der die Kunst bewahre, denn Werke
ließen sich nicht wie in einem Museum einfach abhängen. Seine
Kirchenfenster versteht Lüpertz als zeitgenössische Kunst, aber sie
seien in der Auseinandersetzung mit und in der Erfahrung von Tradition
entstanden.[46]
Ausstellungen und Museen Mercurius
Eine erste Ausstellung veranstaltete die Galerie Michael Werner 1968. 1973 folgte eine Werkübersicht in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden . Die Kunsthalle Bern zeigte 1977 Dithyrambische und Stil-Malerei . Im selben Jahr trat er von der Teilnahme an der documenta 6 in Kassel zusammen mit Georg Baselitz
zurück. Die Maler wollten nicht mit der offiziellen DDR-Kunst
gleichgesetzt werden, die damals zum ersten Mal auf der documenta
präsentiert wurde. 1982 war er mit Werken auf der documenta 7 in Kassel zu sehen. Ein Jahr später folgte eine Ausstellung im Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven. 1986 stellte die Städtische Galerie im Lenbachhaus in München Belebte Formen und kalte Malerei. Gemälde und Skulpturen aus. Eine Retrospektive der Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen von 1964 bis 1988 folgte 1989 in der Abbaye Saint-André, einem Centre d’Art Contemporain in Meymac. Eine weitere Retrospektive der Jahre 1963 bis 1990 präsentierte das Museo Reina Sofía in Madrid 1991.
Es folgten in den 1990er Jahren zahlreiche weitere Ausstellungen im Kunstmuseum Bonn , im Palais Liechtenstein in Wien, im Reuchlinhaus in Pforzheim, in der Galerie der Stadt Stuttgart , eine Ausstellungstournee der Bronzen durch die Städtische Kunsthalle Mannheim , die Städtischen Kunstsammlungen Augsburg und das Gerhard-Marcks-Haus Bremen, die Ausstellung Der mediterrane Mythos im Museum für Moderne Kunst Bozen , eine thematische Werkschau 1996 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, 1997 eine Ausstellung der Gemälde im Stedelijk Museum in Amsterdam sowie später weitere Ausstellungen in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München, im Von der Heydt-Museum in Wuppertal, eine Skulpturenausstellung in der Lowe Gallery in Atlanta sowie die erstmalige Präsentation der Bilderfolge Monte Santo in der Galerie Michael Werner in Köln. 1999 wurde dann der Zyklus Vanitas in der Zeche Zollverein in Essen und 2000 der Zyklus Vesper im Rahmen der Ausstellung Lost Paradise Lost. Kunst und sakraler Raum in Hannover gezeigt. 2002 folgten Werkschauen im IVAM Centre Julio González in Valencià sowie im Museum Würth in Künzelsau. Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zeigte 2009/2010 mit der Sonderausstellung Hauptwege und Nebenwege. Eine Retrospektive. Bilder und Skulpturen von 1963 bis 2009 die bislang umfangreichste Einzelausstellung zu Lüpertz. 2010 folgte die Albertina in Wien mit Markus Lüpertz. Metamorphosen der Weltgeschichte . Im Kunstforum Ostdeutsche Galerie , Regensburg, hatte Lüpertz für die Ausstellung Mythos und Metamorphose (2010/2011) alle Bilder und Objekte selbst platziert.[47] Das Horst-Janssen-Museum in Oldenburg zeigt vom 2. März bis zum 3. Juni 2012 unter dem Titel Markus Lüpertz – Sagenhaft Zeichnungen, Druckgrafiken und Plastiken des Künstlers.
Werke von Lüpertz sind in zahlreichen Museen und öffentlichen Sammlungen zu sehen, neben anderen im Kunstmuseum Walter in Augsburg, in der Pinakothek der Moderne in München, im Musée d’Art Moderne et Contemporain de Strasbourg , bei der Overbeckgesellschaft in Lübeck, im Haus der Kunst
in München, in der Kunsthalle Baden-Baden, in der Kunsthalle Bern, in
der Kunsthalle Düsseldorf, im Landesmuseum München, im Moderna Museet
Stockholm, im Musée d’Art et d’Histoire in Genf, im Musée d’Art et
d’Industrie in Saint-Etienne, im Musée d’Art Moderne de la Ville de
Paris in Paris, in der Nationalgalerie in Berlin, im Palais des Beaux-Arts in Brüssel, im Stedelijk Van Abbemuseum in Eindhoven, im Tel Aviv Museum sowie im Saint Louis Art Museum .
„Der Inhalt ist ein Kommunikationsproblem, dem der Künstler versucht
zu entgehen, denn der Betrachter muss den Inhalt des Bildes in sich
selber tragen und erfinden. Der Künstler erzeugt lediglich den Defekt,
die Wunde, die Krise, aus denen sich die Frage des Inhalts nachgebiert.
Der Inhalt, ist er irgendwo erklärt, ist Kompromiss und nicht vom
Künstler selbst verantwortet. Er ist aber als Lüge und als Mittel
verfügbar und als Leimrute möglich.“
– Markus Lüpertz 2009[48]
Kritik am Werk Peter Winter kritisierte Lüpertz bereits 1983 als „bramarbasierenden Böhmen“ , „gewiefte[n] Selbstdarsteller, Modestenz und Fotoposeur, Meister der Schlenker und Regisseur der Schludrigkeit“ .[49] Hans-Joachim Müller bezeichnete ihn 1991 als „Konsul Weyer der Malerei“ , dem man „den geliehenen Frack nicht anmerken soll“ .[50] Matthias Matussek nannte ihn 1992 einen „Liberace der heftigen Malerei.“ [51] Im August 2005 wurde die Skulptur Mozart – Eine Hommage auf dem Ursulinenplatz in Salzburg von Martin Humer mit rotem Lack angestrichen und gefedert.[52] Er begründete dies: „Wir lassen uns das nicht gefallen. Provokation muss mit Provokation beantwortet werden.“ Die Statue sei „auch eine Art der Pornografie“ , und „Mozart so darzustellen, ist eine Abscheulichkeit. Das kann nur ein Psychopath machen.“
Die Mozartskulptur erscheint bei Lüpertz als zwitterhaftes Fabelwesen,
der charakteristische Mozart-Zopf hat die Form eines erigierten Penis
während Nase, Hüfte und Brust weiblich wirken. Das linke Bein ist wie
zum Tanzschritt abgespreizt. Die Lippen leuchten rot im weiß
geschminkten Gesicht mit einem Schönheitsmal auf der Wange. Es ging
Lüpertz dabei nicht um ein Porträt des Komponisten. Er habe sich zu der
expressiven Darstellung einer Muse entschlossen, „ […] weil Mozart für mich Musik ist – und die ist weiblich“.[53] Der fehlende Arm der Figur verweist nach Lüpertz auf den hohen ästhetischen Wert des Fragmentarischen in der antiken Plastik und darauf, dass auch Leben und Werk Mozarts Fragment geblieben sei. Lüpertz selbst restaurierte die beschädigte Skulptur.[54] Sie wurde allerdings auch von Künstlerkollegen kritisiert; so sprach Gerhard Richter in einem Interview von einer „fragwürdige[n] Mozart-Ehrung“ , die nur toleriert werde, weil „man lieber die Augen schließt und den Mund hält, bevor man sich als Spießer bezeichnen lässt.“ [55] In Augsburg gab es Kontroversen um die Aphrodite -Plastik für einen Brunnen im Stadtzentrum.[56] Im Juni 2006 wurde in Bamberg seine in der Nähe des Brückenrathauses aufgestellte Skulptur Chillida umgestürzt und dabei schwer beschädigt, der Kopf des Kunstwerkes riss ab.[57] Lüpertz’ Skulpturen wurden gelegentlich auch als „Bazel-Skulpturen“ [58] bezeichnet, da sie an Objekte erinnerten, die Kinder aus nassem Sand formen.[59]
Die große Retrospektive Hauptwege und Nebenwege führte 2009 zu einer weiteren Welle der Kritik. So fragte Julia Voss in der FAZ : „Welche
Welt will dieser Fürst regieren? – Seine Bilder sind Lehrbeispiele
dafür, wie ein deutscher Künstler zuverlässig in jede Falle tappt, die
sich ihm stellt.“ [60] Eine ähnlich kritische Rezension erschien in der „Süddeutschen Zeitung“.[61] Der mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnete Dichter Durs Grünbein fragte in DIE ZEIT , „warum die realistischen Skulpturen von Markus Lüpertz mehr als alle anderen zeitgenössischen Kunstwerke“ provozierten. Grünbein erklärte die Tatsache, dass die Skulpturen so umstritten sind, damit, dass Lüpertz uns konfrontiere mit „einer
tief sitzenden Triebhemmung, die regelmäßig durchbricht bei den als
grotesk oder hässlich empfundenen, allzu menschlichen Formen. […] Die
Figuren des Markus Lüpertz [strahlen] eine so drollige Hoheit und
Heiterkeit aus […], weil sie um all das Niedrige und Kleinmenschliche
wissen.“ Es sei nicht die schlechteste Aufgabe von Kunst, „Gefäß zu sein für Affekte, die herausgelassen gehören wie die Körpergifte, die man in früheren Zeiten mit dem Aderlass zu drainieren hoffte.“ [62] Hans-Joachim Müller resümierte:
„Man muss das nicht mögen, das bekennerische Genie, den Dandy, seine
altdeutsche Maskulinität, den Silberknauf am Gehstock, diese herrische
Großmeistertravestie. Aber man sollte darüber nicht blind werden für den
eigentlichen Stoff des Epos Lüpertz. Gerade aus dem Abstand […] erweist
sich der Bombast von Schöpfer und Schöpfung als Kostümierung einer für
die Kultur- und mehr noch Gesellschaftsgeschichte dieses Landes
zentralen Idee. Dieses Werk ist von Anfang an auf hochmütige Opposition
gegen das kritische Paradigma gerichtet gewesen, wie es die 60er- und
70er Jahre bestimmt hat. Darin liegt seine wahre Bedeutung. Lüpertz war,
mehr noch als Baselitz , der Anti-68er, der mitten im minimalistischen Mainstream, als sich die Kunst in Gestalt andrescher
Stahlplatten auf den Boden zurückzog, mit donnernder Stimme ausrief:
‚Erhebt euch und seid wieder wer!‘ Und der tatsächliche Tabubruch liegt
nicht in der penetranten Vorführung von Motiven wie Soldatenrock und
Stahlhelm, die zumindest damals verlässlich das Reiz-Reaktion-Schema
bedient haben. Provokant war vielmehr, wie der Maler das finstere
Inventar aus seiner bloß kritisch geduldeten Überlebensform befreit,
gleichsam die Büchse der Pandora geöffnet und ihren Inhalt an die für
nichts und niemanden verantwortliche Kunst übergeben hat.“
– Hans-Joachim Müller 2009[63]
Ehrungen und Mitgliedschaften - Preis der Villa Romana , verbunden mit einem einjährigen Aufenthalt in Florenz (1970)
- Preis des Deutschen Kritikerverbandes (1971)
- Vorstandsmitglied im Deutschen Künstlerbund (1973 bis 1975)[64]
- Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde Esslingen (1990)
- IV. International Prize „Julio González“ (2004)
- Doctor honoris causa der Kunstakademie Breslau (2006)
- Ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste (2009)
- Internationaler Mendelssohn-Preis zu Leipzig (2013)
Veröffentlichungen - Westwall . Hake, Köln 1969
- Und ich, ich spiele … . Galerie Springer, Berlin 1981
- Ich stand vor der Mauer aus Glas . Galerie Springer, Berlin 1982
- Bleiben Sie sitzen Heinrich Heine . Wiener Secession, Wien 1984
- Tagebuch – New York 1984 . Gachnang & Springer, Bern u. Berlin 1984
- Das nächste Beste . Picaron, Amsterdam 1990
- Gedichte . Picaron-Ed., Amsterdam 1991
- Männer ohne Frauen . Kleinheinrich, Münster 1994
- Das Geld – die Kunst . Dt. Apotheker- und Ärztebank, Düsseldorf 2000
- Hommage à Mozart . Brandstätter, Wien 2005
- Fieberblätter . Galerie Christine Hölz, Düsseldorf 2005
- Der Kunst die Regeln geben . Ammann, Zürich 2005
- Totentanz . Kühlen, Mönchengladbach 2006
- Narziß und Echo . Kleinheinrich, Münster 2007
- Der große Fluss . G. H. Holländer, Teltow 2007
- Gott Merkur . G. H. Holländer, Teltow 2007
- Daphne . Insel, Frankfurt, M. 2008
- Das Recht auf Philosophie oder: über die Notwendigkeit, zu philosophieren . König, Köln 2011
- (als Illustrator): Das Grundgesetz , Gütersloh 2012, ISBN 978-3-577-07467-4
Literatur - Eckhart J. Gillen (Hrsg.): Großgörschen 35 . Aufbruch zur Kunststadt Berlin 1964 . Ausstellungskatalog mit Texten von Barbara Esch Marowski, Lothar C. Poll , Eckhard J. Gillen. Haus am Kleistpark in Kooperation mit der Kunststiftung Poll , Berlin 2014 (ohne ISBN).
- Tatjana Dübbel, Jörg-Philipp Thomsa (Hrsg.): Unruhe im Olymp . Gedichte, Zeichnungen und Skulpturen von Markus Lüpertz. Lübeck 2013, ISBN 978-3-942310-08-6 . Katalog zur Ausstellung im Günter Grass-Haus 2013.
- Markus Lüpertz, Sagenhaft. Malerentgegnungen in Zeichnungen, Skulpturen und Grafiken . Hrsg. Geuer & Breckner, Düsseldorf 2011, ISBN 978-3-939452-12-6 .
- Markus Lüpertz. Hauptwege und Nebenwege; eine Retrospektive, Bilder und Skulpturen von 1963 bis 2009 . Hrsg.: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Bonn. Red.: Susanne Kleine. Snoeck, Köln 2009, ISBN 978-3-940953-21-6 .
- Markus Lüpertz . Hrsg. von Ingried Brugger u. Florian Steininger . Ed. Minerva, Wolfratshausen 2006, ISBN 3-938832-10-X .
- Markus Lüpertz und das barocke Bamberg . Hrsg. vom
Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia. Text: Denise Dumschat,
Bernd Goldmann u. Simon Kuchlbauer. Verl. Fränkischer Tag, Bamberg 2006,
ISBN 3-936897-38-7 .
- Sabine Kampmann: Künstler sein. Systemtheoretische Beobachtungen
von Autorschaft: Christian Boltanski, Eva & Adele, Pipilotti Rist,
Markus Lüpertz . Fink, Paderborn 2006, ISBN 3-7705-4356-4 .
- Markus Lüpertz. The memory and the form . Catálogo. Ed. Aldeasa, Ana Cela. Trad. Karel Clapshaw. Aldeasa, Valencia 2002, ISBN 84-8003-305-3 .
- Markus Lüpertz – Malerei, Zeichnung, Skulptur . Hrsg. C. Sylvia Weber. Swiridoff, Künzelsau 2002, ISBN 3-934350-69-0 .
- Siegfried Gohr : Markus Lüpertz . Dumont, Köln 2001, ISBN 3-8321-7000-6 .
- Große Figuren. Skulptur – Malerei – Zeichnung; Immendorff; Lüpertz; Penck . Hrsg.: Kunsthalle Darmstadt, Texte von Peter Joch. Ed. Braus, Heidelberg 2001, ISBN 3-89904-006-6 .
- Heinrich Klotz : Die Malerei zwischen Moderne und Postmoderne. Markus Lüpertz . In: Ders., Kunst im 20. Jahrhundert. Moderne, Postmoderne, Zweite Moderne . C.H. Beck, München 1999, S. 69–75.
- Markus Lüpertz. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, 11. Juli bis 14. September 1997 . Hrsg. von Siegfried Gohr. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München 1997, ISBN 3-7774-7570-X sowie Hirmer, München 1997, ISBN 3-7774-7570-X .
- Reden zu Lüpertz. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 28. April 1996 . Red.: Thomas Heyden, Dorothee Jansen. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1996, ISBN 3-926154-30-6 .
- Markus Lüpertz. Gemälde – Skulpturen . Hrsg.: Armin Zweite. Cantz, Ostfildern-Ruit 1996, ISBN 3-89322-839-X .
- Markus Lüpertz. Skulpturen in Bronze Katalogred. Jochen Kronjäger, Inge Herold. Ed. Braus, Heidelberg 1995, ISBN 3-89466-130-5 .
- Walter Grasskamp: Magnifizenz Lüpertz. Der Charme der Konterrevolution . In: Ders.: Der lange Marsch durch die Illusionen . C.H. Beck, München 1995, S. 79–94.
- Johann-Karl Schmidt : Vom Kriege . In: Homo homini lupus. Markus Lüpertz – Krieg . Pforzheim 1994, ISBN 3-9803529-6X , S. 11–27.
- Markus Lüpertz. Druckgraphik, Werkverzeichnis 1960–1990 Katalog James Hofmaier. Ed. Cantz, Stuttgart 1991, ISBN 3-89322-360-6 .
- Markus Lüpertz im Gespräch mit Heinz Peter Schwerfel . Kiepenheuer u. Witsch, Köln 1989, ISBN 3-462-02007-2 .
- Markus Lüpertz. Zeichn. aus d. Jahren 1964–1985 . Ausgew. von Siegfried Gohr, Johannes Gachnang. Gachnang und Springer, Bern / Berlin 1986, ISBN 3-906127-01-X .
- Markus Lüpertz: Pierrot Lunaire . Katalog der Ausstellung 7. Juni – 12. Juli 1986. Mit zehn Gedichten aus dem Zyklus Pierrot Lunaire von Albert Giraud. Reinhard Onnasch Galerie, Berlin 1986.
- Walter Ehrmann: Markus Lüpertz. Bemerkungen zum Problem Identität bei Markus Lüpertz . In: Kunstforum , Bd. 20, Februar 1977, S. 100–106.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| |